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Thrill mit feiner Klinge

Thrill mit feiner Klinge
© ORF
Veröffentlicht:
21.12.2022
Star-Regisseur Robert Dornhelm, der kürzlich seinen 75. Geburtstag feierte, im tele-Talk über die neue Staffel von „Vienna Blood“, seine Arbeit für die neue Mittelalter-Serie „Rise of the Raven“ und den Wunsch, bis zum letzten Atemzug Filme zu drehen.

tele: „Vienna Blood“ erreicht im ORF und ZDF ein Millionenpublikum. Was macht den Erfolg dieser Krimireihe aus?

Robert Dornhelm: Es ist keine Krimireihe im üblichen Sinn, da ist der Markt ohnehin übersättigt. Ich glaube, die Leute interessieren sich dafür, weil es in einer sehr interessanten Zeit spielt, knapp vor dem Ersten Weltkrieg. Es ist eine Zeit der großen Veränderungen, und noch größere stehen bevor. Das Aufkommen des Nationalismus, der Antisemitismus, Freud, die Psychoanalyse, die Entwicklungen in der Kunst – diese Zeit ist irgendwie sehr fruchtbar, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

tele: Das Krimi-Genre ist im Fernsehen nahezu omnipräsent. Warum ist das so?

Robert Dornhelm: Warum die Leute Kriminalität, Polizeiarbeit, das Morden so sehr beschäftigt, ist mir ein Rätsel. Aber das ist nun mal so, ich will das auch gar nicht hinterfragen, die Leute sind dahin geführt worden. Wenn etwas funktioniert, werden sie immer mehr mit dem gefüttert, was sie gerne sehen, dann wird es zur Gewohnheit. Das Böse hat seine Faszination, nehme ich an. Ich hab diese Arbeit angenommen, weil mich die reinen „Wer ist der Mörder“-Stoffe nicht so besonders interessieren. Das muss wohl auch vorkommen, weil so wird es verkauft. Daran erinnert man mich auch oft beim Drehen: Vergiss nicht den Auftrag! Wer ist der Killer? Verlier´ dich nicht zu sehr in witzigen Einfällen! Einiges musste ich zurücknehmen, es war ursprünglich viel mehr Witz und Absurdität in den ersten Filmen. Ich hab mir Freiheiten genommen, und dann ist es doch zu weit gegangen.

tele: Die drei neuen Teile haben Sie mit einem eingespielten Team gedreht …

Robert Dornhelm: Nicht ganz. Die Hauptdarsteller sind eingespielt, die anderen Schauspieler kommen ja immer neu dazu. Der Drehbuchautor ist derselbe, aber das Kamerapersonal hat gewechselt, auch der Cutter.

tele: Hinter der Kamera hat sich also auch einiges getan …

Robert Dornhelm: Ja, was mir auch gefällt. Es soll ja nicht zur Routine werden, und „Vienna Blood“ ist ja auch keine Serie in dem Sinn. Ich habe Serien eigentlich nie gemacht, das ist nicht meine Spezialität. Hier sind es einzelne Filme mit neuen Geschichten, mit zwei Leuten, die immer dabei sind. Aber im Prinzip sind das immer neue Filme. Man könnte es fast ducheinander spielen, weil die Geschichten alle eigenständig sind. Es ändern sich zwar wohl in ihrer persönlichen Beziehung einige Dinge, aber das kann man auch verstehen, wenn man die früheren Teile nicht gesehen hat.

tele: Ist die Geschichte von „Vienna Blood“ auch einmal zu Ende erzählt?

Robert Dornhelm: Es muss irgendwann zu einem Abschluss kommen, schon allein deshalb, weil unsere Schauspieler alle sehr gefragt sind. Gerade Matthew Beard hat jetzt sehr viele Aufträge. Es geht darum, ob er überhaupt noch die Zeit hat, weiterzumachen. Aber einen Abschluss muss es geben, wenn auch nicht von mir. (Anm.: Laut ORF wird „Vienna Blood“ 2023 fortgeführt.)

tele: Am 17. Dezember haben Sie Ihren 75. Geburtstag gefeiert. Ein großer Markstein in Ihrem Leben?

Robert Dornhelm: Mehr für die Medien als für mich. Es ist natürlich irgendwie deprimierend, dass die Zahl so hoch ist, aber ich fühle mich noch jung und möchte so lange es geht arbeiten. Das ist das größte Geschenk, dass man mich noch arbeiten lässt. Und die letzten zwei Jahre hab ich mehr gemacht als je zuvor.

tele: Sind Sie jemand, der am liebsten bis zum Lebensende arbeiten möchte?

Robert Dornhelm: Das wäre für mich die größte Freude. Ja, doch, denn das hält mich eigentlich frisch und jung. Die Arbeit, die ich nicht als solche empfinde, sondern etwas, was ich gerne tue. Und ich glaube, wenn ich Serien machen würde, würde ich das Gefühl haben, ich gehe zur Arbeit. Und das will ich ungern. Ich möchte das machen, so lange es mir Spaß macht. Und noch macht’s mir Spaß, trotz der hohen Zahl der Lebensjahre.

tele: Sie drehen aktuell in Ungarn Episoden für die neue Mittelalter-Serie „Rise of the Raven“ über das Leben des ungarischen Feldherren János Hunyadi …

Robert Dornhelm: Ja, das ist eine Riesenproduktion mit einem Budget von 60 Mio. Euro. Wir drehen in mehreren Hallen. In Budapest werden zehn Filme parallel gedreht, auch große US-Serien. Ich hoffe, es entwickelt sich auch in Österreich wieder so eine Filmindustrie.

tele: Wann wird „Rise of the Raven“ fertig­gestellt?

Robert Dornhelm: Also ich drehe bis Juni 2023. Die Produktion umfasst insgesamt zehn Stunden. Die ersten zwei Episoden sollen schon im Sommer 2023 präsentiert werden. Wenn man die Nachbearbeitung berücksichtigt, wird es wohl 2024 werden, bis die Serie ausgestrahlt wird.

tele: Wie viel Zeit im Jahr verbringen Sie in Wien?

Robert Dornhelm: Im letzten Jahr ganz wenig. Ich hab mir zwar hier ein Haus gekauft, weil ich viel in Europa bin, aber noch kann ich es nicht richtig bewohnen. Ich kann dort nur an Wochenenden hausen, weil ich jetzt die ganze Zeit in Ungarn arbeite. Meine Familie lebt in Wien, aber ich selbst verbringe vielleicht insgesamt, wenn ich alle Wochenenden zusammenzähle, höchsten ein Monat pro Jahr hier.

tele: Sie sind viel unterwegs. Würden Sie sich als Weltbürger bezeichnen?

Robert Dornhelm: Ja, das würde ich. Ich war auch jahrelang staatenlos, was mir eigentlich am sympathischsten war. Die US-Staatsbürgerschaft musste ich annehmen, ich lebe ja schon fast 50 Jahre dort (Anm.: In Los Angeles). Aber wenn ich jetzt meine Zelte in Kalifornien abbrechen müsste, hätte ich nicht das Gefühl, dass sich die Welt so verändert hat, dass ich entwurzelt wäre. Ich kann sehr schnell irgendwo anders neue Wurzeln schlagen.

tele: Macht Ihnen die aktuelle Entwicklung in den USA große Sorgen?

Robert Dornhelm: Ja. Ich hab das auch traurigerweise in einem Interview mit Auslandsöstereichern in Amerika so prophezeit, noch bevor Trump Präsident wurde. Dass es zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen kommen würde, wie das am 6. Jänner mit dem Sturm auf das Kapitol auch eingetreten ist. Es ist eine furchtbare Entwicklung, die auch die ganze Welt betrifft. Der Verlust der Demokratie. Trump sagt, die Verfassung ist eigentlich überflüssig. Das bedeutet für mich Alarmstufe 1, das ist mir nicht geheuer!

 

Drei Mal Wiener Blut

Die Verbrecherjagd im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts wird mit den Teilen 7 bis 9 von „Vienna Blood“ fortgesetzt.

Das Duo Oskar Rheinhardt (Juergen Maurer) und Dr. Max Liebermann (Matthew Beard) – Polizist und Psychoanalytiker – muss auf ORF 2 in drei neuen 90-Minütern bizarre Verbrechen im historischen Wien aufklären. Die Drehbücher zu den Filmen stammen wieder von Steve Thompson (nach Romanen bzw. Motiven von Frank Tallis), Regie führte diesmal durchwegs Robert Dornhelm. In weiteren Rollen sind u.a. Simon Hatzl, MiriamHie und Maria Köstlinger zu sehen, Episodenrollen übernehmen u.a. Lisa Maria Pothoff („Rendezvous mit dem Tod“, 30.12., 20.15), Cornelius Obonya und Miriam Fussenegger („Der Schattengott“, 2.1., 20,15) sowie Bibiana Beglau und Anne-Marie Waldeck („Der Tod und das Mädchen“, 3.1., 20.15).

Interviews

Thrill mit feiner Klinge
Interviews, 21. Dezember 2022
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