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Philipp Hochmair: Kein Held von der Stange

Philipp Hochmair: Kein Held von der Stange
© ORF
Veröffentlicht:
04.05.2018
Philipp Hochmair im tele-Talk zur Free-TV-Premiere von „Blind ermittelt“ und zum ganz normalen Wahnsinn zwischen Film, TV und Bühne.

Im neuen ORF/ARD-Krimi „Blind ermittelt“ spielt Philipp Hochmair einen Ex-Kommissar, der durch einen brutalen Anschlag seiner Sehkraft beraubt wurde und Jahre später den Fall mit Hilfe seines neuen besten Freundes neu aufrollt. tele verriet der „Vorstadtweiber“-Star, was seine Figur Alexander Haller dennoch so stark macht, wie er den Spagat zwischen Kino-, TV- und Theaterproduktionen („Jedermann reloaded“) schafft und wie er sich neuerdings für kommende Aufgaben fit hält.

tele: Inwiefern unterscheidet sich „Blind ermittelt“ von anderen Krimis, was ist daran speziell?

Philipp Hochmair: Das Besondere daran ist, dass man diesem blinden Kommissar irgendwie nahe ist und das, was sich in seinem Kopf abspielt, miterleben kann. Vielleicht kann damit gezeigt werden, dass die Helden unserer Zeit auch andere Stärken haben können. Das Heldenhafte besteht also nicht darin, dass er alles kann, sondern dass er durch seine körperliche Einschränkung eine ganz besondere Sensibilität, Aufmerksamkeit und Intuition entwickelt. Darin sehe ich auch die große Chance für dieses Profil in der Krimilandschaft.

 

tele: Einen blinden Menschen zu spielen – hat das auch deine Einstellung Blinden und Sehbehinderten gegenüber verändert?

Philipp Hochmair: Beim Drehen wurde mir bewusst, wie wertvoll der Sehsinn ist, wie sehr unser alltägliches Leben auf dieser Wahrnehmung basiert. Es war eine wichtige Erfahrung, nicht sehen zu können, sich in der Umgebung neu orientieren zu müssen. „Blind ermittelt“ zeigt die Welt eines Blinden aus genau dieser Perspektive und macht das Erlebnis für den Zuschauer erfahrbar. Durch den Verlust seiner Sehfähigkeit entwickelt Kommissar Haller ein besonderes Gespür, eine Art übersinnliche und starke Intuition, die einem Sehenden so nicht gegeben sind.

tele: Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?

Philipp Hochmair: Ich war zum Beispiel im „Dialog im Dunkeln“, dem interaktiven Museum von Blinden für Sehende. Dieses Erlebnis gab mir ein Gefühl dafür, was es bedeutet, in unserer Gesellschaft, die von Sehenden organisiert wird, blind zu sein. Das heißt auch, sich in permanenter Gefahr zu befinden. Sich in diese Situationen hineinzuversetzen war für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Das war ein nachhaltiges, wichtiges Erlebnis! 

tele: Hattest du persönlich viel Kontakt mit Blinden?

Philipp Hochmair: Natürlich habe ich mich mit blinden Menschen getroffen und sie haben mir von ihrem Alltag erzählt. Dadurch wurde mir einerseits bewusst in welcher permanenten Gefahr sie in unserer städtischen Umwelt leben – zum Beispiel im Straßenverkehr –, aber auch in welch faszinierendem inneren Kosmos ihr Leben sich abspielt. Darin liegt auch mein Interesse an dieser Rolle. Das Hier und Jetzt muss ganz anders erarbeitet und erkämpft werden. 

tele: Jano Ben Chaabane, der Regisseur von „Blind ermittelt“, hat diese Seite des blinden Hauptakteurs Alexander Haller – geschärfte Sinne, Intuition, Fantasie – eher unaufgeregt eingebaut. War das auch dein Eindruck?

Philipp Hochmair: Das stimmt. Von dieser Idee war ich anfangs überfordert. Würde die Art und Weise, solch einen Charakter so darzustellen funktionieren? Bis zum Drehbeginn haben wir uns an die Rolle herangetastet. Vom Theater bin ich gewohnt zu proben, auszuprobieren und gemeinsam eine Rolle zu entwickeln. Mit Jano Ben Chabaane, den ich für den idealen Regisseur halte, hatten wir eine besondere Chance dieses Format zu erarbeiten. Die Chemie hat von Anfang an gestimmt.

tele: Schnitzler – deine Rolle in „Vorstadtweiber“ – und der blinde Alexander Haller sind sehr gegensätzliche Typen. Du selbst bist als lebenslustiger Mensch bekannt. War es schwer, sich für diese Rolle zurückzunehmen und sie eher verhalten zu spielen?

Philipp Hochmair: Für mich war Hallers Geschichte von Anfang an klar. Dafür habe ich keine „Disziplinierung“ gebraucht. Im Gegenteil: Die Figur ist so fokussiert, dass es nicht notwendig war meine Aktionen zügeln zu müssen. Ich versuche die Stärken und Schwächen einer Figur zu erkennen und baue sie auf. Haller ist für mich wie eine lauernde Schlange auf der Jagd, die permanent scannt und auf den Moment wartet, wo sie zubeißen kann. Ganz anders als der triebgesteuerte Schnitzler. Der greift direkt zur Waffe, will Sex und Macht! Haller will Klarheit, Genugtuung und eine Antwort auf die Frage, warum ihm das Sehvermögen und seine geliebte Frau genommen wurden. Das sind zwei völlig ungleiche Ausgangspositionen, an die man als Schauspieler ganz unterschiedlich herangeht.

tele: Stimmst du mir zu, wenn ich sage: da hätte man sehr viel falsch machen können – von der Regie und der Kamera her. Und es ist alles geglückt, weil es nicht aufgesetzt oder übertrieben wirkt?

Philipp Hochmair: Da stimme ich dir absolut zu! Das Potential möglicher Fehlerquellen und Gefahrenzonen war groß. Ich war skeptisch, als ich dieses Angebot bekommen habe. Und auch nachdem ich das Drehbuch kannte, hatte ich Zweifel, ob es funktionieren würde. Aber es hat hervorragend funktioniert! Große Anerkennung auch für die Sender, Produktionsfirma und Förderer, die die Kühnheit hatten, so ein neuartiges, junges und couragiertes Team zusammenzustellen.

tele: Mit „Jedermann reloaded“ hast du auch ein interessantes Musik- und Theaterprojekt am Start. Wie kam es dazu?

Philipp Hochmair: Ich wollte „Jedermann“ schon lange als Monolog umsetzen, um das alte Stück ganz neu lesen zu können.Und so entstand die Idee vom „Jedermann“ als Bandleader. Die Musik, der Band schafft die Räume. Und der Frontman durchlebt und performt die Stationen des Mysterienspiels. Für mich ist das ein Schlüssel, der die Geschichte persönlich und greifbar macht. Ich habe den „Jedermann“ oft am Domplatz in Salzburg gesehen und versuche mit diesem Projekt einen modernen Zugriff zu schaffen.

tele: Die Auftritte häufen sich jetzt …

Philipp Hochmair: Wir touren mit „Jedermann reloaded“ seit drei Jahren durch die ganze Welt. Es hat mich riesig gefreut mit diesem Projekt wieder ans Burgtheater zurückzukehren und sogar vor ausverkauftem Haus zu spielen. Im September und Oktober sind weitere Vorstellungen geplant. 

tele: Patricia Aulitzky, deine Schwester in „Blind ermittelt“, hat am Burgtheater auch in „Jedermann reloaded“ mitgespielt. War das schon lange geplant?

Philipp Hochmair: Nein, ich habe Patricia am Set von „Blind ermittelt“ ganz spontan gefragt, ob sie zu einem Gastaufritt als Buhlschaft Lust hätte. Sie hat sofort ja gesagt. Diese Jam Session hat wunderbar funktioniert. Das war für mich wie ein Geschenk! So einen gemeinsamen Auftritt, aus einer Improvisations-Laune heraus im ausverkauften Burgtheater zu meistern, ist schon außergewöhnlich.

tele: Wie würdest du eure Auftritte beschreiben, was fließt da alles ein?

Philipp Hochmair: Es ist ein Crossover aus Theater, Techno und Rockmusik. Für mich ist es die einzige Form, diese großartigen Texte zu tradieren und wiederzubeleben. Wer kann die „Glocke“ von Schiller heute noch auswendig? Das war früher Schulstoff und musste unter Qualen gelernt werden. Aber das Gedicht jetzt mit Techno-Sound zum Beispiel in Bad Vöslau unter klarem Sternenhimmel auf einer Bühne mitten im Schwimmbad und mit meiner Band zu performern – das war für mich eines der außergewöhnlichen Highlights.

 

tele: Vielen Dank für das Gespräch!

 

TV-Tipp: „Blind ermittelt – Die toten Mädchen von Wien“
SA., 5.5., 20.15 Uhr, ORF eins & ARD

Wenn der neue, zur Gänze in Wien gedrehte Krimi beim Publikum gut ankommt, wird daraus eine Reihe, so viel steht fest. Die Klasse für Fortsetzungen hat „Blind ermittelt“ jedenfalls.

Philipp Hochmair spielt Kommissar Alexander Haller, dessen Freundin Kara (Anna Rot), eine Staatsanwältin, durch eine Autobombe getötet wird. Er selbst verliert dabei das Augenlicht, stürzt in eine tiefe Krise und ist zwei Jahre später drauf und dran, sich das Leben zu nehmen. Der Taxifahrer Niko (Andreas Guenther) bewahrt ihn davor. Aus dem blinden Ex-Kommissar und der Zufallsbekanntschaft wird ein unkonventionelles Ermittlerduo, das den Anschlag neu aufrollt, auf die Fährte eines brutalen Mädchenhändlerrings stößt und ein Mordkomplott aufdeckt. Inszeniert hat den ORF/ARD-Degeto-Krimi Langfilm-Regieneuling Jano Ben Chaabane („Culpa“), in weiteren Rollen sind u. a. Patricia Aulitzky als Hallers Schwester Sophie, Stipe Erceg als Karas verurteilter, nun aus der Haft entflohener Mörder, Johannes Silberschneider als Oberstaatsanwalt und Jaschka Lämmert als Hallers Nachfolgerin bei der Kripo zu sehen

Steckbrief Philipp Hochmair

  • Geb. am 16. 10. 1973 in Wien
  • Von 2003 bis 2009 am Wiener Burgtheater, danach bis 2014 am Hamburger Thalia-Theater
  • Eigene Theaterprojekte: U. a „Werther“ & „Jedermann reloaded“ mit seiner Band Die Elektrohand Gottes (seit 2013)
  • Größter Serienerfolg: „Vorstadtweiber“ (seit 2015), dreht ab Sommer 2018 Staffel 4
  • Kinofilme: U. a. „Kater“ (2016)
  • Nächster Kinofilm: „Candelaria“ (Start: 6. Juli)

www.philipphochmair.com

www.jedermann-reloaded.de

 

Phillip Hochmair in „Jedermann reloaded“, in der radioeins Dachlounge im rbb Zentrum in Berlin am 22. Dezember 2017

Interviews

Philipp Hochmair: Kein Held von der Stange
Interviews, 04. Mai 2018
Im neuen ORF/ARD-Krimi „Blind ermittelt“ spielt Philipp Hochmair einen Ex-Kommissar, der durch einen brutalen Anschlag seiner Sehkraft beraubt wurde und Jahre später den Fall mit Hilfe seines neuen besten Freundes neu aufrollt. tele verriet der „Vorstadtweiber“-Star, was seine Figur Alexander Haller… mehr >
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