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Gletscher-Talk mit der Boarder-Queen Julia Dujmovits

Gletscher-Talk mit der Boarder-Queen Julia Dujmovits
© Picturedesk
Veröffentlicht:
27.11.2015
Im Interview auf 3000 Metern Seehöhe erzählt die Burgenländerin, welches sportliche Ziel sie nach dem Olympiasieg noch auf dem Zettel hat, warum ihr Yoga so viel bedeutet und vieles mehr.

Sie ist Olympiasiegerin, lässt sich von keiner Verletzung unterkriegen und ist immer noch hungrig nach Erfolgen. Julia Dujmovits muss niemand mehr etwas beweisen – und erfindet sich doch immer neu. tele besuchte den Snowboard-Star aus dem Burgenland beim Training auf dem Mölltaler Gletscher. Im Interview auf 3000 Metern Seehöhe erzählt die Burgenländerin, welches sportliche Ziel sie nach dem Olympiasieg noch auf dem Zettel hat, warum ihr Yoga so viel bedeutet und wie sie heute, 15 Jahre nach der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn von Kaprun mit der Tragödie umgeht, die beinahe auch sie das Leben gekostet hätte.

 

tele: Schneetraining kurz vor Saisonstart – wie läuft ein Trainingstag für eine Top-Boarderin ab?

Julia Dujmovits: Wir stehen zwischen 6 und 7 Uhr auf, fahren mit den ersten Gondeln rauf und trainieren ca. zwei Stunden im Lauf, da sind maximal zehn Leute dabei. Zu Mittag sind wir wieder unten im Hotel, dann wird kurz regeneriert oder es geht zum Auslaufen. Nach einem kurzen Power-Nap trainiere ich Grundlagen. Konditions- und Kräftigungstraining gibt es jeden Tag.

 

Macht ihr das auch in der Gruppe?

Ich trainiere viel lieber allein, so kann man besser auf seinen eigenen Körper hören, finde ich. Klar gehen wir ab und zu gemeinsam Auslaufen. Aber grundsätzlich weiß ich selbst genau, was ich gerade zu trainieren hab. Ich mache auch sehr viel Yoga dazu. Teilweise unterrichte ich auch unser Team.

 

Julia-Dujmovits- PicturedesWelche Art von Yoga ist das? Und wie bist du dazu gekommen?

Hauptsächlich Vinyasa Flow. Intensiver mach‘ ich Yoga seit drei Jahren. Ich bin im Sommer immer zwei Monate auf Maui, bin dort dazu gekommen. Letzten Sommer hab ich den 200-Stunden-Kurs gemacht, die Ausbildung zur Yoga-Lehrerin. Ich hab es inzwischen voll in mein Training eingebaut,  schau’ immer, dass ich es sehr genau mache, die Positionen lange halte und versuche ruhig zu bleiben. Man kann Yoga gut als Kräftigung betreiben – und für mich ist es der krasse Gegensatz zur Schnelligkeit beim Boarden.

 

 

Du hast dir im Sommer bei einem Sturz von der Slackline eine Ellbogenluxation zugezogen. Ist jetzt alles wieder o.k.?

Ich konnte halt lange den Arm nicht ausstrecken. Mir wurde gesagt, die Heilung dauert drei Monate, im Endeffekt waren es eineinhalb Monate. Ich hätte drei Wochen Gips tragen müssen, hab ihn aber nach acht Tagen runtergenommen und dann eine Carbonschiene getragen. Jetzt kann ich schon wieder einen Handstand machen ...  

 

Es war ja nicht die erste schwere Verletzung ...

Julia Dujmovits: Ich war fast vier Jahre lang durchgehend verletzt, hab deshalb auch die Olympischen Spiele in Vancouver 2010 verpasst. Gleich nach meinem ersten Weltcup-Podium hab ich mir das Knie komplett zerstört: Seitenband, Kreuzband, Meniskus, das Kreuzband ist später noch einmal gerissen. Ich hab ich mir alle Bänder im rechten Sprunggelenk gerissen, das linke Sprunggelenk gebrochen, die Schulter luxiert – zwei Gehirnerschütterungen kamen auch noch dazu. Als ich Vancouver verpasst hab, hab ich echt überlegt ob ich aufhöre, weil ich einfach nur verletzt war.

 

 

Vor genau 15 Jahren bist du mit deinem Bruder durch eine schicksalshafte Fügung der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn Kaprun entgangen, alle Mitglieder deines Teams sind dabei gestorben. Heilt die Zeit alle Wunden oder wirkt das noch nach?

Etwas so Elementares und Traumatisierendes wie Kaprun zu erleben und zu überleben, das bleibt eine Konsequenz für das ganze restliche Leben. Nichts zu löschen, nichts zu vergessen, nichts zu verdrängen. Das ist ein Schicksal, das man annehmen lernen muss. Das ist schwierig. Ja, die Zeit heilt - wenn du sie lässt. Ich wollte mich alleine aus dem Schmerz befreien. Irgendwann konnte ich wieder auf ein Snowboard steigen. Irgendwann auch wieder in die Schrägseilbahn. Irgendwann war mir klar, dass die vielen schweren Verletzungen, die ich in meiner Karriere hatte, Wegweiser zu mir selbst, zu meinem eigenen Schmerz waren. Yoga hat mir schließlich geholfen, loszulassen… Diese Bilder vom Tod meiner Freunde. Diese Vorstellung, dass irgendetwas in meinem Leben anders kommen hätte sollen, als es gekommen ist. Diese Illusion von Sinnlosigkeit. Meine Freunde von damals sind als Team in meinem Herzen geblieben. Und sie bleiben dort, bis sich unsere Wege wieder begegnen.

 

Julia-Dujmovits- 3 PicturedAusgerechnet der Parallel-Slalom, die Disziplin, in der du Olympia-Gold geholt hast, wurde nun vom IOC wieder aus dem Olympiaprogramm gestrichen …

Es läuft noch eine Gerichtsverhandlung. Justin Reiter, ein US-Snowboarder, hat das IOC geklagt, weil sie bei dieser Entscheidung die eigenen Statuten nicht eingehalten haben. Das Problem ist, dass Olympische Spiele an Länder vergeben werden, die nicht einmal einen Hang haben, wo man regulär eine Abfahrt fahren kann. Das ist ja bei den Ski-Disziplinen genauso ein Thema. Da fragt man sich als Sportler schon: In welche Richtung geht das? Es ist einfach extrem schade, wie das IOC mit den Athleten umgeht. Weil im Endeffekt geht’s dem IOC nicht um die Athleten, sondern nur darum, das Event hinzustellen – egal wo, egal mit welchen Mitteln. Es soll einfach eine Show sein. Aber dass es Athleten gibt, die viele Jahre auf einen Bewerb hintrainieren, interessiert sie nicht. Zur Disziplin selbst: Ich weiß, dass ich im Riesentorlauf genauso stark bin. Ich bin früher sogar lieber Riesentorlauf gefahren. 

 

Als Olympiasiegerin wird man ja von den Leuten anders wahrgenommen. Hast du dich daran schon gewöhnt?

Was die anderen denken, ist mir persönlich komplett egal. Aber es war schon ein wahnsinniger Prozess. Es war mein großes Ziel Olympiagold zu holen. Deshalb hab ich mich nach Olympia schon gefragt, was mich jetzt noch motiviert. Natürlich ändert sich die Blickweise von anderen Menschen. Das Wichtigste, was ich damit geschafft habe, ist, dass unser Sport in Österreich jetzt anders wahrgenommen wird. Das schafft man nur durch Leistung. Und meine Goldmedaille hat da sicher sehr viel geändert. Das sieht man auch an der Wahl zur Sportlerin des Jahres: Letztes Jahr bin ich Zweite geworden, heuer die Claudia (Anm.; Claudia Riegler, Snowboard-Weltmeisterin). Das hat es früher nicht gegeben, weil unser Sport eben lange nicht wahrgenommen worden ist. Das ist sicher ein Riesenunterschied, seit Olympia. Es war einfach gut, dass wir in den letzten Rennen die Medaillen (Anm.: Benjamin Karl gewann Bronze im Parallel-Slalom der Herren) geholt haben. Ich weiß nicht, ob der Snowboardsport in Österreich ohne diese Medaillen diese Anerkennung hätte.

 

War das sowas wie ein Befreiungsschlag für den Snowboardsport in Österreich? Speziell, wenn man immer etwas im Schatten der Skifahrer steht?

Ja, ich glaube es hat sich in den letzten Jahren sehr viel geändert, obwohl ich nicht das Gefühl habe, dass ich im Schatten stehe. Aber im ÖSV ist in den letzten Jahren mehr Zusammenhalt zwischen den Sparten da, habe ich das Gefühl. Wir verstehen uns auch alle untereinander gut. Unter den Sportlern weiß jeder, dass wir genauso viel trainieren wie die Skifahrer. Es ist da ein ganz anderer Respekt, wie vielleicht von außen betrachtet. Der Skisport ist natürlich mehr in den Medien und die Zuschauer glauben vielleicht, dass unsere Skifahrer mehr leisten. Aber wir Sportler untereinander wissen einfach, was die anderen leisten. Es ist nicht so, dass irgendwer von den Skifahrern glaubt: Wir fahren da a bissl Snowboard und haben schon die Ergebnisse. Da weiß jeder, was dahinter steht. 

Das ist eben auch das Schöne daran, dass es voll passt. Es gibt diesen Zusammenhalt, und auch in Sotschi haben alle voll zusammengehalten, man hat sich gegenseitig aufgebaut. Aber da tritt man natürlich auch für Österreich auf, nicht nur für eine Sportart.

 

Wann und wo hast du mit dem Snowboarden angefangen?

Mein erstes Snowboard hab ich mit sechs Jahren bekommen, gelernt hab ich das Snowboarden in Flachau. Aber wir haben uns auch daheim im Burgenland immer Pisten getreten und Sprungschanzen gebaut. Also ein bissl hab ich das Snowboarden auch im Garten gelernt.

 

Ist das Burgenland dafür hügelig genug?

(lacht) Ja, im Südburgenland ist es hügelig genug. Hügeliger jedenfalls als in der Halle in Landgraaf (Anm.: eine Skihalle in Holland).

 

Deine Lieblings-Snowboardreviere?

Julia Dujmovits: Ich bin gerne in Obertauern. Heidi Krings, eine gute Freundin und frühere Teamkollegin, kommt von dort. Cool ist auch Neuseeland, dort taugt‘s mir voll zum Fahren.

 

Deine Ziele für den kommenden Winter?

Mein großes Ziel ist der Gesamt-Weltcup. Das war noch nie so sehr der Fall, wie in dieser Saison. Ich mache jetzt schon so viel anders, damit ich das erreichen kann, hab auch viel Material getestet. Es fühlt sich anders an, es ist mir echt wichtig. Das ist der erste Schritt, man muss zu hundert Prozent gewinnen wollen.

 Steckbrief Julia Dujmovits

 

  • Geb. am 12. 6.1987 in Güssing (Bgld.)
  • Lebt  „im Burgenland, Wien, in Hotelzimmern und zwei Monate im Jahr auf Hawaii“
  • Hat drei Brüder
  • Verlobt mit Ruderer Bernhard Sieber
  • Auf Skiern seit 1991, auf dem Snowboard seit Weihnachten 1995
  • Verein: Sportunion Schiclub Güssing
  • Größte Erfolge: Olympiasieg 2014 (Parallelslalom), Vize-Weltmeisterin 2013 & 2015, 3 Weltcup-Siege
  • Isst kein Fleisch; (Lieblingsessen: Gemüsepfanne mit Couscous)
  • Ist ausgebildete Yoga-Lehrerin

TV-Tipp:

12.12., ORF Sport plus, 17.00

FIS Snowboard Weltcup live aus Carezza/Italien

 

Interviews

Gletscher-Talk mit der Boarder-Queen Julia Dujmovits
Interviews, 27. November 2015
Sie ist Olympiasiegerin, lässt sich von keiner Verletzung unterkriegen und ist immer noch hungrig nach Erfolgen. Julia Dujmovits muss niemand mehr etwas beweisen – und erfindet sich doch immer neu. tele besuchte den Snowboard-Star aus dem Burgenland beim Training auf dem Mölltaler Gletscher. Im Inte… mehr >
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