Das Märchen der Märchen
Fantasy - I/F/GB 2015 - 134
Matteo Garrone ist ein Filmemacher, der in keine Schublade passt. Mit dem schonungslos realistischen Mafiaepos „Gommorha – Reise in das Reich der Camorra“ (2008) trat der italienische Starregisseur in die Fußstapfen eines Bernardo Bertolucci oder Francesco Rosi, mit „Reality“ setzte er dem staunenden Publikum vier Jahre später eine Komödie vor, in der ein neapolitanischer Fischhändler sein Leben wie ein Star aus der italienischen Version der Reality-TV-Show „Big Brother“ führt. Den Hang zu Satire, grotesken Situationen und kompromissloser Milieubeschau lebt der Römer gern aus, weiß dabei aber sein Publikum immer zu verzaubern. Und morbiden Zauber versprüht er nun in einem Märchenfilm, der – richtig – erst recht in keine Schublade passt. Für „Das Märchen der Märchen“ hat sich Garrone bei einer italienischen Geschichtensammlung mit Rahmenhandlung aus dem 17. Jahrhundert bedient, dem „Pentamerone“, das vom italienischen Hofpoeten Giambattista Basile herausgegeben wurde. Drei Könige (gespielt von Vincent Cassel, John C. Reilly und Toby Jones) schlagen sich in Garrones Verfilmung mit ihren eigenen Obsessionen und denen ihrer Liebsten herum. Bizarre Monster und althergebrachte Märchenfiguren bevölkern die Szenerie, Salma Hayek (Königin 1) verspeist ein Drachenherz, andernorts werden Orgien gefeiert, Irrsinn lauert in allen Ecken, Themen wie Sexsucht, unerfüllter Kinderwunsch und krankhafte Tierliebe werden genussvoll ausgebreitet, Schönheit und blanker Horror liegen in diesem bildgewaltigen Fantasyexzess immer nah beieinander. Über 125 Minuten zieht sich die italienische Märchenstunde hin. Für eine kindgerechte Gutenachtgeschichte taugt sie nicht – und langweilig wird einem dabei nie. Dafür hat Märchenonkel Garrone einfach zu viele gute Einfälle zu bieten.