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Andreas Vitásek: „Ich hätte mich gefürchtet, das zu machen“

Andreas Vitásek: „Ich hätte mich gefürchtet, das zu machen“
© ORF/Roman Zach-Kiesling
Veröffentlicht:
18.10.2022
Andreas Vitásek im Interview zur neuen ORF-Show „Die Comedy-Challenge – Das kann ja heiter werden"

Acht Comedytalente, vier prominente Coaches, ein Ziel: Möglichst viele Lachflashes und Schenkelklopfer im Publikum generieren und Champion der „Comedy Challenge“ (ORF 1, ab 28.10., 4 Folgen) werden. Neben Angelika Niedetzky, Robert Palfrader und Manuel Rubey wirkt auch Andreas Andreas Vitásek als Mentor zweier Kandidat:innen und Juror in der Sendung mit. Im tele-Interview während der Aufzeichnung der Show spricht der 66-jährige Wiener Star-Kabarettist über die Herausforderungen für die Nachwuchstalente, die Stimmung unter den Coaches und den Kabarett-Einstieg einst und jetzt.

tele: Wie lief denn die Interaktion zwischen den Coaches? Unter Comedians und Kabarettisten rennt ja vorzugsweise der Schmäh …

Andreas Vitásek: Also ich muss sagen: Als ich gehört hab, wer dabei ist, war das eine Zusatzmotivation mitzumachen. Und ich glaub, da bin ich nicht alleine, das ist den anderen auch so gegangen. Ich hab mir gesagt: Ok, das bürgt dann doch für eine gewisse Qualitätsstufe. Die meisten kennt man ja schon von einer Zusammenarbeit. Also wir haben von Anfang an eine irrsinnige Hetz miteinander gehabt. Wir mussten richtig aufpassen, dass wir nicht zu sehr die Show an uns reißen, dass wir auch die Kandidat:innen leben lassen. Aber am liebsten würden wir uns nur gegenseitig häkeln …

tele: Ist der Wettbewerbsgedanke stets präsent – oder ist der Sieg der eigenen Kandidat:innen nur Nebensache?

Andreas Vitásek: Mir geht’s nicht so darum, dass meine Kandidat:innen unbedingt gewinnen müssen. Natürlich würd’s mich freuen, dann würden sie mich vermutlich auch liebhaben (lacht). Aber ich glaube, es geht eigentlich darum, dass die Show gut wird. Das Gesamtprodukt ist das Wichtige. Und diese acht Leute sind ja auch nicht von der Straße gekommen, die haben schon einen Auswahlprozess mitgemacht. Und das merkt man auch. Die wird man demnächst auf der Kabarettbühne sehen, manche haben ja schon selbst kleine Programme.

tele: Wie groß ist die Bühnenerfahrung, die die Talente mitbringen?

Andreas Vitásek: Die ist vorhanden, aber es gibt natürlich ein breites Feld von Kleinbühnen bzw. Kleinstbühnen, die man alle nicht kennt, Hinterbühnen in Wirtshäusern und so weiter. Dass die dann einmal in Wien im Stadtsaal, in der Kulisse oder im Rabenhof-Theater spielen, das kann dann durchaus irgendwann einmal sein.

tele: Was sind denn heute die wichtigsten Qualitätsmerkmale eines angehenden Kabarettisten oder Comedians?

Andreas Vitásek: Individualität, würde ich sagen, dass man nicht das Gefühl hat, der oder die macht jemanden nach. Sie sollten eine Nische finden, wo sie unverwechselbar sind. Damit sich jeder sagt: Wenn ich mir den oder die anschaue, dann weiß ich, was ich bekomme – und ich bekomme nicht aus zweiter Hand einen kleinen Vitásek oder Hader oder Dorfer, sondern ganz was Spezielles. Und das können unsere Kandidat:innen auch, die haben ganz eigene Farben. Das ist, wie ich finde, auch das Schöne an der Kleinkunst und am Kabaraett: Das ist eine riesige Blumenwiese mit verschiedenen seltsamen Gewächsen. Und immer wieder kommt was Neues. Es ist schon sehr interessant, was da alles möglich ist.

tele: Ist es heute schwieriger als Kabarettist:in durchzustarten als noch vor zwanzig, dreißig Jahren?

Andreas Vitásek: Ganz sicher ist es heute schwieriger. Früher sind die Leute einfach in Vorstellungen gegangen, weil Kabarett was Neues war. Kabarett war noch nicht so Mainstream, war auch eine Alternativkultur. Man ist in die Kulisse gegangen, weil man gesagt hat: Ah, da kann man sitzen, gemütlich ein Bier trinken – und damals sogar noch rauchen –, und man muss sich nicht schön anziehen, das machte schon die Kulturkonsumation per se interessant. Jetzt werden die Leute selektiver, man schaut auch aufs Geld, ein Abend ist kostspielig – Eintritt, Taxi, Essen, eventuell der Babysitter zuhause –, da will man halt doch die Garantie haben, dass es halbwegs gut wird. Deshalb haben es Leute, die noch keinen Namen haben, schwerer als früher.

tele: Corona und die langen Lockdowns haben sicher auch einiges erschwert …

Andreas Vitásek: Ja, es kommt dazu, dass die Kultur unter Long Covid leidet. Die Leute sind in der Pandemie draufgekommen, dass es zuhause gemütlich ist, alle haben sich Abos von Netflix, Amazon Prime oder Disney+ gekauft und haben begonnen, die Rezepte aus ihren Kochbüchern nachzukochen. Die Leute muss man jetzt erst wieder rauslocken. Aber ich glaube, es gibt ein grundlegendes Bedürfnis der Menschen, andere Menschen zu treffen, und nicht nur mit der eigenen Familie daheim zu sitzen. Ich glaub, da werden die Leute wieder draufkommen. Sie sind vorsichtig, man weiß ja nicht, was als Nächstes passiert. Viele Leute sitzen auf fünf bis zehn Karten, die sie noch nicht eingelöst haben, weil die Auftritte verschoben wurden. Der Vorverkauf ist heute viel schwieriger als vorher, dafür geht an der Abendkassa mehr. Das ist gerade ein interessantes Phänomen.

tele: Kann man Bühnenpräsenz erlernen – oder muss man das im Blut haben?

Andreas Vitásek: Ich glaub, es gibt gewisse Grundvoraussetzungen. Dass man prinzipiell gerne auftritt, zum Beispiel. Obwohl fast jeder irgendwann auch Lampenfieber hat und sich vor einem Auftritt denkt: Warum hab ich eigentlich nicht einen anderen Beruf erlernt (lacht). Aber wenn man dann oben steht, macht’s meistens Spaß. Und Routine macht schon sehr viel aus. Es ist ja nicht jeder Abend ein Highlight, aber mit Routine schafft man es, dass die Leute trotzdem zufrieden nach Hause gehen.

tele: Ist in der ersten Show ein Talent besonders aufgefallen, hat Sie jemand quasi vom Hocker gerissen?

Andreas Vitásek: Das Überraschende war eigentlich die durchgehend hohe Qualität. Weil ich mir schon gedacht hab, die werden jetzt doch nervös sein, und da wird’s sicher ein paar geben, die wirklich scheitern. Manche haben sich vielleicht an einer Stelle geirrt oder sind aus dem Konzept gekommen, aber prinzipiell war alles auf einem mehr als brauchbaren Niveau.

tele: Sind solche TV-Shows heute das ideale Sprungbrett für Nachwuchstalente?

Andreas Vitásek: Ganz sicher. Wenn man sieht, dass jemand vor der Kamera gut ist, dann ist das für den natürlich die Visitenkarte, dass er vom ORF oder auch von einem anderen Sender oder Streaming-Dienst für andere Aufgaben genommen wird. Oder hin und wieder eingeladen wird, bei „Was gibt es Neues?“ oder solchen Shows. Und dafür sind die alle geeignet.

tele: Wie hätten Sie reagiert, wenn Sie als Nachwuchstalent gleich im Fernsehen aufgetreten wären?

Andreas Vitásek: Ich hätt’ mich gefürchtet, das zu machen, weil ich im Improvisieren nicht so gut bin. Ich hätt’s natürlich gemacht, weil es eine große Chance ist. Aber ich hab wirklich Hochachtung, dass die sich hinstellen und sich das trauen.

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