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Cannes-Blog 1: Cannes oder gar nicht

Cannes-Blog 1: Cannes oder gar nicht
© Cannes Festival 2021
Veröffentlicht:
06.07.2021
Cannes-Blog 1, 6. Juli 2021. Pandemie-Ausgabe unter Palmen von 6. bis 17. Juli 2021, im Sommer, statt im Frühling. Eröffnungsfilm ist heuer „Annette“ von Regielegende Leos Carax mit Marion Cotillard und Adam Driver als tragischem Künstlerpaar.

Pandemie-Ausgabe unter Palmen von 6. bis 17. Juli 2021, im Sommer, statt im Frühling. Eröffnungsfilm ist heuer „Annette“ von Regielegende Leos Carax mit Marion Cotillard und Adam Driver als tragischem Künstlerpaar.

Ein Jahr war nichts mit dem legendärsten Filmfestival der Welt: Covid machte dem feschen Programm nach mehreren Starts und Verschiebungen schlussendlich doch einen Strich durch die Rechnung. Das Jahr, in dem das Kino wie so oft in seinem Dasein angeblich schon wieder einmal angeblich zum Tode verurteilt war und natürlich auch diesmal nicht starb, hatte zahlreiche Konsequenzen: Die Berlinale fand für die beteiligte Presse nur auf der Couch statt und das eine Weile später als geplant (auch hier liebäugelte man noch mit einem Vor-Ort-Stattfinden) – per Online-Screenings. Für online war man sich in Cannes zu schade, frei nach dem Motto „Cannes oder gar nicht“ (Entschuldigung, schlechter Witz). Immerhin verlieh man den Filmen, die theoretisch beim Festival gelaufen wären, eine Art Gütesiegel – und tatsächlich kamen diese Palmen-erkorenen Filme der Welt bei der einen oder anderen Preisverleihung (zB den Oscars) wieder unter.

Weil 2021 sowieso alles aus dem Ruder geraten war, konnte mit Filmen unterschiedlichstes passieren. Manche verschwanden dank Kino-Zwangspause sang- und klanglos in der Versenkung, bevor sie aus ihr hervorgekommen waren – bei Filmfestivals oder im Kino. Und manche wurden im Tresor verräumt, für bessere Zeiten, sozusagen. Also heißt es noch immer auf den neuen James-Bond-Film warten, beispielsweise. Manch anderer Film landete schnell auf Streaming-Plattformen – so wurde „Da 4 Bloods“ von Spike Lee auf Netflix veröffentlicht, statt in Cannes Premiere zu feiern. Aber immerhin: Regisseur Spike Lee, der bereits 2020 Jury-Präsident hätte sein sollen, ist nun eben heuer Jury-Präsident, das dazugehörige Plakat ist stilistisch ungewöhnlich und auch inhaltlich: Erstmals ziert schließlich ein schwarzer Filmemacher das Plakat des Festivals, das alljährlich verspricht, sich in Sachen Diversity selbst an der Kandare zu nehmen – mit mäßigem Erfolg, vor allem bei weiblichen Filmschaffenden im Wettbewerb. Immerhin, in der Jury ist sie gegeben: Darin vertreten sind heuer u. a. die Schauspielerin Maggie Gyllenhaal, die senegalesische Filmemacherin Mati Diop und die österreichische Regisseurin Jessica Hausner.

Jessica Hausner PD edited
Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner ist in der Jury des Festivals.


„Das beste aus zwei Jahren“ verspricht Cannes nun pandemiebedingt, ob das Versprechen halten wird, wird sich erst nach Sichtung der vor dem Festival unter Verschluss gehaltenen Filme zeigen. Der diesjährige Eröffnungsfilm ist „Annette“ von Regielegende Leos Carax, in den Hauptrollen sind Marion Cotillard und Adam Driver zu sehen.

Weitere Highlights des Wettbewerbs sind „Bergman Island“ von Mia Hansen-Love (mit Vicky Krieps und Tim Roth, hach), „Flag Day“ von Sean Penn (muss jetzt nicht, aber schauen wir), „Memoria“ von Apichatpong Weerasethakul, „Red Rocket“ vom immer unterhaltsamen und weltoffenen Amerikaner Sean Baker, „Tre Piani“ von Nanni Moretti (ja, der macht auch noch Filme), der neue Film vom fast jährlich neues Material rausballendernden François Ozon, „Tout s’est bien passé“ sowie „Titane“ von der großartigen jungen französischen Filmemacherin Julia Ducournau, deren herrlicher Menschenfresserfilm „Raw“ vor einiger Zeit hier für Furore sorgte, der erste Trailer verspricht Großes (und Vincent Lindon!). Wes Anderson wird heuer statt im Vorjahr „The French Dispatch“ (Bild) vorstellen, mit dabei wie üblich ein riesiges All-Star-Team, u.a. mit Tilda Swinton, Owen Wilson, Elisabeth Moss, Frances McDormand, Edward Norton und Christoph
Waltz.

French Dispatch

Alle anderen
Außerhalb des Wettbewerbs laufen u. a. Tom Mccarthys Thriller „Stillwater“ mit Matt Damon und Camille Cottin („Call My Agent“), Ari Folmans Animationsfilm  "Where is Anne Frank“, sowie das Celine-Dion-Biopic „Aline, The Voice of Love“ von Emmanuelle Bercot. In der Reihe „Un certain regard“ sind heuer zwei  österreichische Produktionen vertreten: Sebastian Meise mit „Die große Freiheit“ sowie Bo Chen mit „Moneyboys“. Auch in der Gesprächsreihe „Rendezvous with …“ werden Stars zu Wort kommen, u. a. Jodie Foster, die diesjährige Preisträgerin der Ehren-Palme, sowie Matt Damon und Isabelle Huppert.

Mit Kino das Klima retten
Mit „Le cinéma pour le climat“, einem Klimaschwerpunkt in sechs Filmen bietet Cannes neben Wettbewerb und Nebenschienen heuer einen kleinen zusätzlichen Schwerpunkt. Denn auch internationale Schauspielstars wissen: Die Klimakatastrophe muss aufgehalten werden. Der französische Schauspieler Louis Garrel drehte „La Croisade“ („Der Kreuzzug“) mit seiner Ehefrau Laetitia Casta, es geht um einen Burschen, der die Welt retten will. Die Doku „Marcher sur l’eau“ von Aïssa Maïga porträtiert die Opfer der Klimaerwärmung in Niger, „Invisible Demons“ von Rahul Jain zeigt die Verschmutzung in Neu-Delhi, Cyril Dions „Animal“ widmet sich der Biodiversität, produziert wurde der Film von Schauspielerin Mélanie Laurent („Tomorrow“).

Also dann, auf nach Cannes. Mögen die Spiele beginnen, frisch getestet.


Von Julia Pühringer, tele

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