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Detailbild Le week-end
Sa, 27.04.2024 | 13:00-14:00 | Ö1

Le week-end

Es ist natürlich typisch für le week-end, dass es in einer Wolkenkunde um Glücks- und Unglückswolken, um metaphorische und imaginierte Wolken eher geht, als um wissenschaftlich erforschte. Aber wenn die Sendung schon "Cirrus, Stratus, Cumulus" im Titel führt, dann erwähnen wir zumindest jenen englischen Apotheker und Naturwissenschafter, der die Typologie der Wolken im frühen 19. Jahrhundert überhaupt erst erfunden hat: Luke Howard. Jahrhundertelang hatte man die Wolken als viel zu ephemer gehalten, als dass man sie verlässlich klassifizieren hätte wollen oder können. Aber dann kommt Luke Howard, schaut lange und genau in den Himmel und zu den Wolken und beginnt, Typologien von Wolken zu erstellen. 1802 hält er einen Vortrag, der ihn auf einen Schlag berühmt, wenn auch noch lange nicht akademisch akzeptiert macht: "Über die Modifikationen der Wolken" _ Essay on the Modifications of Clouds _ heißt der ein Jahr später auch gedruckte Vortrag. "Cirrus, Stratus, Cumulus". Oder doch auf Deutsch: Federwolken, Schichtwolken, Haufenwolken.Wir gehen den musikalischen Wolken des 20. Jahrhunderts nach, hatten doch sich verändernde Aggregatszustände, also wolkenartige Formationen, in der Kunst plötzlich Konjunktur. Die erste Musikwolke dieser Sendung stammt von der Komponistin Ming Wang. Das Orchesterstück der taiwanesisch-österreichischen Komponistin stammt aus 1997 und heißt schlicht "Wolken". Das Stück ist ebenfalls eine Tour de Force durch unterschiedlichste Aggregatszustände. Ein paar unserer amerikanischen Freunde haben da aber ganz andere Theorien über die Entstehung der Wolken vorzutragen. Den Wolkenhimmel ganz genau studiert hat Shel Silverstein. Und seine poetische Wolkenkundetheorie finden durchaus Anklang in unserem le week-end Universum. Der Mond ist eine Frau, die oben bei den Sternen lebt. Die Wolke ist ein Mann, der sie von ferne liebt. Wenn Lady Moon lächelt, dann fangt er vor Glück an zu singen, das hören wir dann als Donner. Wenn sie in trockenen Nächten nicht am Himmel erscheint, dann fließen seine Tränen und es regnet. Und wenn es morgens hell wird und er sie untergehen sieht, wirft er ihr einen Kuss zu, dann spüren wir den sanften Wind.Noch etwas genauer als Shel Silverstein und eher hämisch-witzig als romantisch hat sich sein Landsmann und unser gerne immer wieder zu Rate gezogener Loudon Wainwright III die Sache mit den Wolken angesehen. Seine Theorie zur Entstehung von Cirrus, Stratus, Cumulus & Co.ist über- und unterirdisch zugleich. Im Himmel nämlich, da würde viel getrunken, geraucht, gegessen und Sex gäbe es da auch ohne Ende. Bier zum Frühstück, Tequila und Wein zu Mittag, und am Morgen danach gibt es keinen himmlischen Kater. Vom Essen wird niemand dick, und Kalorien gezählt wird keinesfalls. Die Engel haben Aschenbecher bei sich, und der heilige Petrus pafft eine Zigarre. Rauchen explizit erlaubt, so entstehen nämlich im Himmel die Wolken. Unser nächster Wolkenfetischist gibt sich da subtiler. Im Westberlin der 1950er und -60er Jahre erstaunlich frankophil aufgewachsen und auch einige Jahre mit einer Französin verheiratet, ist er unter den deutschen Liedermachern immer schon deren einziger Chansonnier. Eines seiner berühmtesten Lieder erscheint 1974 und genau genommen singt da einer, der sich nicht über den Wolken befindet, sondern sich unten am Flugfeld sehnsüchtig vorstellt, wie es denn über den Wolken wohl sein könnte. Das ist übrigens ziemlich autobiographisch und schließlich erwirbt Reinhard Mey dann auch wirklich eine Fluglizenz und darf selber Flugzeuge steuern. Auf einer 70er Jahre Tournee erfüllt er dem Publikum den Wunsch, doch bitte auch Französisch zu singen. Er erklärt uns das nun gleich selbst, der französische Chansonnier aus Berlin: "Au-dessus des nuages".

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