
Wo Haie in Küstennähe auftauchen, herrschen Alarmstimmung, Medienrummel, Schaulust. Körpergröße, Kraft und spitze Zähne haben den Hai in zahlreichen Büchern und Filmen längst erfolgreich zum Monster stilisiert. Die schroff anmutende Physiognomie tat ihr Übriges. Haie durchstreifen seit mehr als 350 Millionen Jahren die Ozeane, die Meeresjäger zeichnet ihre enorme Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichsten Lebensräume aus. Ihre Augen sind zehnmal so lichtempfindlich wie die eines Menschen und sie haben sogar die Fähigkeit, mithilfe ihrer Haut zu riechen – ein spezielles Wunderwerk der Natur. Haie leben in allen Meerestiefen, in warmen wie in kalten Gewässern. Die etwa 500 bekannten Arten sind über alle Weltmeere verstreut anzutreffen, viele davon sind kaum erforscht. Besonders wenig ist über die Kaltwasserhaie des Nordens bekannt. Doch innerhalb der vergangenen fünf Jahrzehnte schwindet auch zunehmend die Möglichkeit, dies zu ändern. Die Hochseefischerei setzt den Hai-Beständen erheblich zu. Hunderttausende verenden jährlich als ungenutzter Beifang auf den Decks der schwimmenden Fischfabriken. Die allermeisten davon sind noch im Jugendalter. Denn Haie wachsen langsam heran, manche Arten erreichen erst nach dem 20. Lebensjahr und später die Geschlechtsreife. Die Wissenschaft ist alarmiert – und ratlos. Mittlerweile lassen sich bestimmte Haiarten kaum mehr aufspüren. Das erlebt auch Unterwasserkamerafrau Christina Karliczek Skoglund, als sie für diese Dokumentation in die kalten Meere des Nordens eintaucht, um spezielle Haiarten zu finden. Erfolglose Tauchgänge, Kamerafallen mit inhaltsleeren Aufzeichnungen und verlassene Hotspots in bekannten Hai-Sammelgebieten machen die Expedition zum Geduldspiel. Letztere sind nicht zuletzt den Veränderungen der maritimen Lebensräume durch Verschmutzung und Klimawandel geschuldet. Dennoch gelingt der schwedischen Naturfilmerin eine Reihe ganz besonderer Filmaufnahmen. So etwa das große Zusammentreffen der Riesenhaie vor der Atlantikküste Schottlands. Die bis zu zehn Meter langen und vier Tonnen schweren Planktonfresser sind, wie viele andere Haiarten auch, keine ausschließlichen Einzelgänger. Sie suchen regelmäßig die Gesellschaft ihrer Artgenossen und gehen sogar freundschaftlich anmutende Beziehungen zu ausgewählten Individuen ein. In den Tiefen der norwegischen Fjorde kann Christina Karliczek Skoglund erstmals das blaugrüne Leuchten der Kleinen Schwarzen Dornhaie bildlich festhalten. Die kaum 30 Zentimeter großen Jäger steuern ihre Leuchtorgane auf dem Bauch nicht, wie bei Biolumineszenz hauptsächlich der Fall, über die Nervenbahnen, sondern über Hormone – eine bei Fischen bisher unbekannte Methode. Die Naturfilmerin begleitet Meeresbiologen, Aktivisten und Fischer, um mehr über die wenig erforschten Wanderungen der Hundshaie vor Helgoland oder die schwindenden Bestände der Katzenhaie in schwedischen Gewässern zu erfahren. Ein besonderes Filmjuwel ist das Schlüpfen eines Katzenhais aus seiner rechteckigen (!) Eihülle, die ihn etwa zehn Monate lang geschützt hat. Von überwältigender Schönheit ist die bizarre Welt unter dem grönländischen Meereis. Sie ist Kulisse für die wohl aufregendste Begegnung – der Methusalem unter allen bekannten Wirbeltieren bahnt sich langsam seinen Weg durch das arktische Wasser, direkt vor die Kamera: der Eis- oder Grönlandhai. Dieser fünf bis sieben Meter lange Fisch kann ein Alter von mehr als 400 Jahren erreichen. Die ältesten Exemplare existierten also bereits zu einer Zeit, als die Menschheit noch daran glaubte, dass sich die Sonne um die Erde dreht und die Arktis völlig unbekanntes Terrain war. Heute ist der Mensch diesen steinalten Lebewesen näher als je zuvor, nicht nur in Gestalt der beherzten Kamerafrau, sondern indirekt – durch seinen Lebensstil, der schwerwiegende Folgen mitverursacht. Die Erwärmung des Meerwassers setzt eine Kettenreaktion im ausgeklügelten Gefüge der maritimen Nahrungskette in Gang, die auch vor der Welt der Grönlandhaie unter de