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Dirty Harry war hier

Dirty Harry war hier
© Katharina Schiffl
Veröffentlicht:
20.03.2013
Talk-Ikone Harald Schmidt auf Wien-Besuch: Viel Selbstironie, das Schicksal der „Harald Schmidt Show“ auf Sky – und null Bock auf „Wetten, dass..?“. tele-Redakteur Franz Jellen traf das geniale Lästermaul im Wiener Hotel „The Ring“.

In den nächsten Tagen entscheidet sich, wie es mit der „Harald Schmidt Show“ (derzeit auf „Sky Atlantic HD“, nächste Sendung am 2. April) weitergeht. Extrem locker stand der deutsche Entertainer bei seiner Stippvisite in Wien Rede und Antwort - und konnte sich natürlich auch den einen oder anderen Seitenhieb auf das Medienbusiness nicht verkneifen …

tele: Herr Schmidt, unlängst war in einem Interview mit Ihnen zu lesen, Sie seien gar kein Hypochonder. Sie haben das aber immer wieder behauptet. Bei welcher Gelegenheit haben Sie noch gelogen?

Harald Schmidt: Eigentlich permanent. Es ist ja so: Zum einen muss ich neue Themen bringen, oder auf die immer selben Fragen neue Antworten. Auch meine Sichtweisen verändern sich natürlich immer wieder. Oder ich will einfach meine Ruhe haben. Oder ich finde, es klingt was gut.

tele: Sie bewegen sich da ja grundsätzlich auf einem ganz anderen Level. In Ihrer Show persiflieren Sie sogar die Interviewsituation …

Schmidt: Ja, teilweise gefällt mir auch einfach der Rhythmus von irgendwelchen Sätzen gut. Ich finde einfach: Was in so einem Interview steht, das muss auch gut klingen. Man kann es nicht als gelogen bezeichnen. Teilweise sind es Sachen, die hab‘ ich so oft gesagt, dass ich gar nicht mehr weiß: Hab‘ ich mir das jetzt ausgedacht oder war das wirklich so. Es ist ja auch komplett egal, ob es wahr ist oder nicht, was in der Zeitung steht. Es muss ja nur eine Figur entstehen. Eine Kunstfigur. Und da muss man die Möglichkeit haben, etwas zu verändern oder zu verschieben.

tele: Man hört, Sie verhandeln gerade mit Sky. Sie würden gerne weitermachen…

Schmidt: Das ist zu positiv formuliert. Ich bin nicht in der Position verhandeln zu können. Tolle Ehrlichkeit, nicht … ?

tele: Ist das jetzt gelogen oder wahr?

Schmidt: Es ist eine gewisse Endstufe von Koketterie. Ich warte, wie die Bosse entscheiden. Was ja eigentlich auch richtig ist. Meine
Verhandlungsposition ist die: Ich würde gerne weitermachen. Und jetzt warten wir auf das, was die Geschäftsleitung dazu sagt.

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tele: Woran liegt es, dass es nicht schneller geht? An den Quoten, am Geld?

Schmidt: Am Geld.

tele: Sind Sie zu teuer für Sky?

Schmidt: Nein, die Frage ist: Braucht Sky für die weitere
Strategie diese Show und mich als Moderator?

tele: Wie stehen Sie dazu?

Schmidt: Das ist ja das Großartige: ich könnte beide Positionen vertreten. Ehrlich gesagt, um nicht beide Positionen vertreten zu können,
müssten Sie ja blöde sein. Dann müssten Sie mit einem Gefasel von wegen Qualität und so kommen, wie Sie es halt von ARD- oder ZDF-Moderatoren hören.

tele: Können Sie sich vorstellen, mehr in Sachen Fußball zu machen, als Gast-Kommentator zum Beispiel?

Schmidt: Nein, da fehlt mir die Kompetenz. Absolut. Die Sportreporter sind schon alle extrem fit in der Materie. Das hab‘ ich auch
schon gemerkt, als ich mit Waldi (Anm.: ARD-Sportreporter Waldemar Hartmann) in Turin und Peking war. Die Sportjournalisten kennen sich schon aus in ihrem Fach.

tele: Um im Fußball zu bleiben: Einen Transfer weg von Sky schließen Sie aus? Heißt das, sie würden ihre Fernsehkarriere beenden?

Schmidt: Definitiv, ja. Weil mich interessiert ja kein anderes Format. Was sollte ich denn machen?

tele: „Wetten, dass ..?“ würden Sie auch nicht übernehmen wollen?

Schmidt: Ich bin der Meinung, „Wetten, dass ..?“ ist total mit Gottschalk verknüpft. Und die Gäste, die bei „Wetten, dass ..?“ sitzen sehen Sie mittlerweile überall. Auch in den täglichen Talk-Shows. Es gibt nichts, wo man sagt: Donnerwetter, dass der da sitzt! Und die Wetten – das war schon immer so – interessieren mich keine zwei Sekunden.

tele: Sie könnten zu „Wetten, dass..?“ ja auch als Gast kommen?

Schmidt: Meine Meinung ist eindeutig. Aber das ist nichts Persönliches. Das können viele nicht trennen. Ich kann mit Markus Lanz einen super Nachmittag im Biergarten verbringen, sage aber dann: Frag‘ mich nie über deine Show! Und ich wünsche dir Milliardenverträge, über 20 Jahre, du kannst einen eigenen Sender haben, alles, aber lass uns nicht darüber reden und erwarte nie, dass ich es mir eine Sekunde angucke.

tele: Stimmt es, dass Sie gesagt haben: Wäre Kerner cleverer gewesen, würde er jetzt „Wetten, dass ..?“ moderieren?

Schmidt: Das ist so. Das wurde von vielen als Kollegenschelte dargestellt. Das war aber sowas wie die sachliche Analyse eines Investment-Bankers. Wenn ich mir die Situation beim ZDF angucke, ist das so: Indem Jörg Pilawa zur ARD zurückgeht, hat aktuell Markus Lanz die größte Monopol-Position im deutschen Fernsehen. Das ZDF hat keinen Moderator mehr außer Markus Lanz. Und wenn Lanz jetzt nicht einen ganz großen Fehler macht, wird er auf Jahre hin im ZDF schalten und walten, wie er möchte.

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tele: Falls es mit Sky nicht in die Verlängerung geht, was machen Sie dann? Gehen Sie dann in Pension?

Schmidt: Nein. Nichts mach‘ ich dann. Pension klingt ja so nach graue Schuhe und gucken, dass keiner falsch parkt. Nein, dann werde ich … Privatier.

tele: Harald Schmidt steht für Zynismus. Betrifft das nur die Kunstfigur Harald Schmidt oder sind Sie auch privat so?

Schmidt: Sowohl als auch. Der Begriff „Zynismus“ wird ja inflationär verwendet, und die meisten wissen gar nicht, was er bedeutet. Die meisten Leute glauben: Wenn eine Oma auf der Straße stolpert und ich lache, bin ich ein Zyniker. Das hat aber damit gar nichts zu tun. Gerade im Comedy-Bereich sehen sie viele, die sich so einen Zynismus aufgeklatscht haben, der überhaupt nicht fundiert ist. Und das ist ein bisschen quälend, weil es ja den guten alten Zynismus in Verruf bringt. Ich selber komme – als einer der viel liest – aus der Tradition des Ur-Zynikers Diogenes, der bedürfnislos in der Tonne lag und zu Alexander gesagt hat: „Geh‘ mir aus der Sonne!“. Damit endet mein Wissen. Das müsste aber für ihr Blatt reichen (lacht).

tele: Klaas Heufer-Umlauf, einer ihrer Sidekicks, hat jetzt mit Joko Winterscheidt auf Pro Sieben eine neue Show. Haben Sie „Circus Halligalli“ schon gesehen?

Schmidt: Nein.

tele: Sie stehen auch nicht auf der Gästeliste?

Schmidt: Nein, überhaupt nicht. Ich finde die beiden sympathisch, als Dreißigjährige, und sage: Macht mal, Jungs. Aber es interessiert mich natürlich keine Sekunde.

tele: Sie setzen sich also damit gar nicht auseinander, was die jüngere Generation in Sachen Late-Night-Talk macht?

Schmidt: Nein, null.

tele: Und am Konzept der „Harald Schmidt Show“ wird nicht gerüttelt?

Schmidt: Nein, wir sind seit 18 Jahren bei einem Riesenpublikum erfolgreich. Das würde nur die Marke verwässern – so sagt man das, glaube ich.

tele: Wenn also der ORF Interesse an Ihrer Show hätte, würden Sie da sagen: Österreich, hier bin ich?

Schmidt: Ich war schon immer sehr loyal zu den Sendern, bei denen ich gearbeitet habe. Ich würde gerne bei Sky bleiben. Sollte es noch einmal einen neuen Sender geben, der diese Show macht – es wird aber keinen geben, weil keiner mehr diese Show macht – dann nur unter der Bedingung, dass ich keine Fototermine, keine Pressetour machen muss. Das Allerschlimmste sind die Fototermine, mit Kreativen, die sich was überlegt haben. Ein stummer bleicher Assistent, ganz in Schwarz. Und ein sexuell nicht ganz Entschiedener mit Dreitagebart am ganzen Kopf, der in einem 4000-Quadratmeter-Studio für Sie einen Schwimmring aufgeblasen hat. Auf so was hab‘ ich keinen Bock mehr (lacht)

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tele: Warum glauben Sie, dass Sie kein Sender mehr haben will?

Schmidt: Weil kein Sender drei oder vier Tage jeden Abend zur gleichen Sendezeit einen Sendetermin freiräumt. Abgesehen davon: ich war ja schon überall.

tele: Wer ist denn Ihr Lieblings-Österreicher in der Fernsehlandschaft?

Schmidt: Aktuell? Kenn ich gar keinen, ehrlich gesagt. Für „All Time“ würde ich sagen: Peter Alexander. Der einzige mit Las-Vegas Format. Also, da gibt es für mich gar kein Vertun: an die deutsche Sprache gebunden und sozusagen in dieser österreichischen Mentalität eben. Und ein Gigant über Jahrzehnte hinweg.

tele: Es wird aber sicher österreichische TV-Stars geben, deren Karrieren Sie verfolgen ..?

Schmidt: Hansi Hinterseer zum Beispiel. Was macht der jetzt eigentlich? Den finde ich auch super. Es ist völliger Schwachsinn, dass man den rausgeschmissen hat, der ging doch niemand auf die Nerven, oder?

tele: Daran war die ARD schuld …

Schmidt: Ich habe nie ein Interview mit ihm gelesen, in dem er gesagt hätte, ich kann mehr, ich würde gerne talken, würde gern politisch arbeiten, nichts! Es war der Hansi, weißer Anorak, super Skifahrer und „Hollodiö“. Völlig ok. Ich begreife es nicht. Aber ich glaube, er kommt wieder.

tele: Was sagen Sie dazu, dass jetzt beim Formel-1-Rennstall Mercedes GP Österreicher das Sagen haben?

Schmidt: Zu Österreich und Motor sage ich nur: Piech. Da ist schon eine Riesenkompetenz da. Und Niki Lauda ist ja in Deutschland ähnlich unantastbar wie Franz Beckenbauer.

tele: Ihr Urteil über Ihren Sidekick Mirjam Weichselbraun?

Schmidt: Sieht sehr gut aus, ist schnell in der Birne, schlagfertig, hat einen guten Humor. Eine Tirolerin – unkompliziert, stressfrei – die das gut macht. Das ist sicher jemand, der nicht ewig da sein wird, weil es für sie irgendwann so gut läuft, dass sie einfach auch keine Zeit mehr dafür haben wird. Aber so ist diese Position auch gedacht, quasi als Durchlauferhitzer …

tele: Was halten Sie für Ihre größte Leistung?

Schmidt: Die Etablierung der Late-Night-Show im deutschen Fernsehen.

tele: Gab es auch eine Niederlage, die Sie sich eingestehen müssen?

Schmidt: Niederlage hab‘ ich keine erlitten. Das waren vielleicht Fehlentscheidungen oder Schwächephasen oder Irrtümer, die sich in so einem dreißigjährigen Bühnenleben nicht vermeiden lassen. Die Frage ist nur, welchen Schluss ziehe ich daraus. Es gab eigentlich nicht einmal eine Fehlentscheidung, weil alles zu dem Zeitpunkt, in dem ich es gemacht habe, richtig war. Und ich könnte gar nicht sagen, was ich stattdessen anders hätte machen sollen.

tele: Gab es Auszeichnungen, die für Sie wichtig waren? Der Grimme-Preis etwa?

Schmidt: In dem Jahr habe ich glaub‘ ich zwölf Fernsehpreise gekriegt. Das nehmen Sie gar nicht mehr wahr. Wenn Sie gerade angesagt sind, bewirft man Sie förmlich mit Preisen. Wenn Sie nicht mehr so angesagt sind, müssen Sie halt zur „Romy“ (lacht). Aber auch da geht man dann hin. War ja auch schön in der Hofburg – das ist vom gesamten Ambiente her was anderes als eine Fernsehshow. Das Tolle daran waren André Heller und Michael Haneke. Am nächsten Tag waren Heller und Haneke den ganzen Tag mit mir in Wien unterwegs. Das war natürlich traumhaft.

tele: 2015 hätten Sie mit Ihrer Show das 20-jährige Jubiläum und irgendwann auch die 2000. Sendung. Wäre es Ihnen wichtig, diese Marken zu erreichen?

Schmidt: Ja, und ich kann Ihnen auch sagen warum: Weil mein Team dann der Meinung wäre, das müsste man irre feiern. Da müssten wir was Besonderes machen, und da kommt dann Veronika Ferres als Gast. Bei unseren amerikanischen Freunden hieße das maximal: „Helmut, heute vor 20 Jahren haben wir angefangen, oder?“ Und weiter geht’s. Dieses Aufgeregte bei uns ist völlig unamerikanisch von den Umtrieben her.

tele: Wenn es anders nicht ginge: Würden Sie die Show auch einmal die Woche machen?

Schmidt: Nein, da kommt ja der Mechanismus der Show nicht richtig in Gang. Das hab‘ ich ja bei der ARD versucht. Sie müssen ja die Normalität haben, dass Sie auch mal drei ganz schlechte Sendungen hintereinander abliefern und sagen, es ging halt nicht anders. Ich war nicht in Form oder das Material war nicht entsprechend. Das ist eben Late Night. Sonst sind Sie in diesem wöchentlichen Turnus drin, da entsteht das nicht, was eine Late-Night-Show braucht.

tele: Haben Sie jemals auf ihre Quote geschaut, seit Sie bei Sky sind?

Schmidt: Schon vorher nicht. Sonst wäre ich ja vermutlich nicht bei Sky. Ich hab‘ schon drauf geschaut, aber eigentlich nur unter der Rubrik: Wie schlecht ist sie denn heute? Ich wusste, dass sie schlecht ist. Aber was soll’s, nicht?

tele: Danke für das Gespräch!

Interviews

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Interviews, 20. März 2013
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