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Interview mit Noomi Rapace

Interview mit Noomi Rapace
Veröffentlicht:
18.01.2011
Stieg Larsson: Verblendung (ZDF, 23.01.2011, 22.00 Uhr)
Kannten Sie die Romane von Stieg Larsson, als Sie die Rolle der Lisbeth Salander angeboten bekamen?

Ja, ich hatte die Bücher zwei Jahre vorher, also unmittelbar nach Erscheinen, gelesen, alle drei in zirka 14 Tagen. Ich tat nichts anderes als lesen in dieser Zeit und war wirklich vollkommen absorbiert davon. Und ich liebte diese Bücher über alles.

Was dachten Sie über die Figur Lisbeth Salander?

Ich mochte Lisbeth sehr. Die Story des ersten Romans ist nicht so außergewöhnlich: Man muss ein Geheimnis lösen, nämlich das Ver- schwinden von Harriet vor fast 40 Jahren. Aber die Figur Lisbeth ist sehr außergewöhnlich. Für mich war dies eine völlig neue Figur, sozusagen etwas, das ich noch nie gelesen hatte.

Können Sie uns das Neue, von dem Sie sprechen, etwas genauer beschreiben?

Sie ist sehr kompliziert. Sie ist eine Figur voller Widersprüche. Sie ist in vielerlei Hinsicht ein Opfer. Aber sie will sich nicht als Opfer sehen und sie ist eine große Überlebenskünstlerin. Sie schafft es immer wieder aufzustehen und ihren Weg weiterzugehen, sich nicht von anderen einschränken und beurteilen oder sogar bevormunden zu lassen. Sie ist eine wirkliche Kämpferin und sie bemitleidet sich kein bisschen. Sie ist getrieben und pragmatisch zugleich. Und sie löst alle Probleme selbst, nie muss sie jemanden um Hilfe bitten. Tatsächlich sind auch die anderen Frauen wie z.B. Erika, Harriet und Monica sehr starke Persönlichkeiten, die wirklich wissen, was sie wollen und die Dinge vorantreiben, nicht an der Seite einer starken männlichen Figur stehen. Aber Lisbeth wächst noch darüber hinaus: Für sie ist im Prinzip ständig Krieg. Als ich ihre Rolle verkörperte, wollte ich das Gefühl transportieren, dass sie sich nie sicher ist in ihrem Kampf. Aber sie würde dennoch niemals aufgeben.

Und dann hat sie ja noch diese außergewöhnlichen Talente und Ermittlungsmethoden...

Sie ist die beste Hackerin in Schweden. Sie ist ein unglaubliches Talent am Computer und sie findet mit ihren Methoden einfach alles heraus. In der Detektei, in der sie arbeitet, wirkt sie nach außen wie eine ungewöhnlich aussehende Praktikantin, aber in Wirklichkeit ermittelt sie die unglaublichsten Tatsachen. Alle denken, sie sei ein unterprivilegiertes, blödes Kind aus der Unterschicht, das wie ein Punk aussieht und nur Heavy Metal hört.

Und es ist tatsächlich so: Die Leute haben auf mich exakt so reagiert. Als ich mich mit den schwarzen Haaren und den Piercings für die Rolle veränderte, waren z.B. die Mitarbeiter einer Bank wirklich unfreundlich zu mir, sie haben mich sehr schlecht behandelt.

Wie würden sie das Verhältnis zwischen Lisbeth und Mikael beschreiben?

Lisbeth ist wirklich smart, aber sie zeigt es niemandem. Und als sie Mikael kennenlernt, ist da endlich jemand, der auch sehr klug ist, ein richtiger Partner. Zu Beginn sieht sie das Ganze eher als Spiel. Sie hackt sich in seinen Computer und recherchiert ein bisschen mit. Aber als sie ihn kennenlernt, verliebt sie sich in ihn und es gelingt ihr, sich langsam ein wenig zu öffnen, weil er keine vorschnellen Urteile über sie fällt. Und sie einfach so sein lässt, wie sie ist. Deshalb kann auch sie ihn offener ansehen und muss sich nicht als erstes verteidigen.

Mikael Blomkvist scheint ja ein Alter Ego von Stieg Larsson zu sein; was ist Lisbeth in diesem Zusammenhang?

Ich bin mir ganz sicher, dass auch Lisbeth ein Alter Ego ist. Ich denke, er war ein Underdog-Kämpfer wie sie. Er war absolut allein und hat gegen "große Dämonen" gekämpft, wie sie. Aber anders als Lisbeth war er wirklich politisch – auf eine intelligente Art. Und er bringt seine Leser dazu über die Zeiten, in denen wir leben, nachzudenken.

Interviews

Interview mit Noomi Rapace
Interviews, 18. Januar 2011
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