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Kinsey

Kinsey
Starttermin:
Ab 24. März 2005 im Kino
Teaser:
Biographie-Verfilmungen sind derzeit der Leinwand-Trend schlechthin. Nach dem "Aviator" Howard Hughes, J.M. Barrie ("Wenn Träume fliegen lernen"), "Ray" Charles und Cole Porter ("De-Lovely") kommt nun mit "Kinsey" das Leben des Sexualforschers Alfred C. Kinsey in die Kinos.
Veröffentlicht:
22.02.2005
Kinsey? Schon mal gehört? Genau, der legendäre Kinsey-Report über das sexuelle Verhalten der amerikanischen Bevölkerung ging auf seine Kappe. Doch Alfred C. Kinsey (Liam Neeson) kam zu diesem freizügigen Thema wie die Jungfrau zum Kinde - oder so ähnlich. Geboren 1894 in New Jersey als Spross einer erzkonservativen Familie, beschritt er zunächst den ihm vorgezeichneten Weg, studierte in Harvard und wurde sogar Professor für Zoologie an der Universität von Indiana.

Inzwischen hatte er Clara McMillen (Laura Linney) geheiratet und war Vater von vier Kindern, von denen der älteste Sohn schon im Alter von fünf Jahren starb. Beruflich war Kinsey sehr erfolgreich und als Spezialist für Gallwespen und Wildkräuter anerkannt. Doch die Bitte seiner Uni, Eheberatung für Studenten anzubieten, sollte sein Leben und Forschen ab 1936 grundlegend verändern.

Als der gründliche Professor bemerkte, dass es kaum empirische Grundlagen zu den Beziehungsgewohnheiten der Bevölkerung gab, machte er sich mit einem kleinen Kreis Gleichgesinnter (Peter Sarsgaard, Chris O'Donnell, Timothy Hutton) an eine groß angelegte Umfrage zum Thema Sexualität. Das Gebiet war derart unerforscht, dass zunächst angemessene Interviewmethoden und Fragebögen erarbeitet werden mussten.

Schließlich sammelte das Team um Kinsey über die Jahre Daten von rund 20.000 Amerikanern. Für deren Auswertung gründete er ein Institut für Sexualforschung. Die aufwendigen Studien verliefen relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit. Zum großen Aufschrei allerdings kam es nach der Veröffentlichung zweier Bücher Kinseys zum Thema im Jahre 1948, heute als "Kinsey-Report" bekannt.

Den nach außen hin ach so anständigen Amerikanern wurde der Spiegel vorgehalten - und darin waren ganz andere Dinge zu sehen, als gerne angenommen. Besonders die Ergebnisse über die große Verbreitung von vorehelichem Sex und Selbstbefriedigung erschütterten das öffentliche Bewusstsein. In der Folge wurde Kinsey unzähligen Angriffen von amerikanischen Puritanern ausgesetzt, die bis heute nicht abgeflaut sind. Man darf beispielsweise nicht vergessen, dass auch heute noch Oralverkehr im US-Bundesstaat Ohio als gesetzwidrig gilt und verfolgt wird.

Kinsey starb schon 1956, vermutlich gingen ihm die polemischen Querelen um seine mit ernsthaftem Fleiß betriebenen wissenschaftlichen Studien zu nahe. So konnte er die kurze Spanne der sexuellen Befreiung in den 70er-Jahren leider nicht mehr erleben.

Zwar wurde diese liberale Epoche in den USA erst durch Kinseys Vorreiterschaft überhaupt möglich, doch haben sich seine freizügigen Thesen nicht bis in die Gegenwart fortsetzen können. Denn mit der Verfilmung von Kinseys Leben flammte auch die unglaubliche Empörung über die angebliche Verderbtheit seiner Studien neu auf:

Robert Knight, der Vorsitzende der "CWA" (amerikanische Abkürzung für "Besorgte Frauen von Amerikas Kultur- und Familien-Institut") über die Verfilmung: "Anstatt ihn zu verherrlichen, sollte Kinsey gleichbedeutend mit dem Nazi Dr. Josef Mengele oder dem üblichen irren Wissenschaftler aus Hollywoods Horror-Streifen gezeigt werden."

Tja, den Gefallen hat ihm Regisseur Bill Condon glücklicherweise nicht getan. Im Gegenteil, er zeichnete das - stellenweise auch humorige - Bild eines besessenen Wissenschaftler und Sammlers, der stets für eine menschliche Sicht auf Sexualität und freie Liebe kämpfte. Dabei nutzte Condon die Interviewtechnik der Forscher: Durch das Leben in Rückblenden führt als roter Faden eine Befragung Kinseys. Laura Linney wurde mit ihrer Darstellung der patenten Mrs. Kinsey für einen Oscar nominiert.
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