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Der Stellvertreter

Der Stellvertreter
Teaser:
1963, 18 Jahre nach Ende des Krieges, wurde Rolf Hochhuths Bühnenanklage "Der Stellvertreter" uraufgeführt. Jetzt bringt Regisseur Constantin Costa-Gavras den Pranger für Papst Pius XII. auf die große Leinwand, mit Fokus auf die Figur des Kurt Gerstein.
Veröffentlicht:
28.05.2002
Wer aber ist Kurt Gerstein? Den gab's wirklich, er war Chemiker und SS-Offizier. Historische Wahrheit und meinungsbildende Fiktion verschwimmen im Kino jedoch.

Gerstein (Ulrich Tukur) ist zuständig für die Versorgung der KZs mit dem berüchtigten Zyklon B. In Polen wird er Zeuge, wie das Giftgas verwendet wird: für den Massenmord an unschuldigen Menschen. Dennoch bleibt er in der SS, um die Gräuel authentisch dokumentieren zu können. Als gläubiger Christ ist er der Überzeugung, ausländische Diplomaten, Vertreter der evangelischen Kirche und schließlich den Papst zur öffentlichen Anklage der Nazi-Verbrechen bewegen zu können.

Doch das Engagement stößt auf wenig Gegenliebe: Der Vatikan sieht sich in erster Linie dem Christentum, dann dem Menschen an sich verpflichtet. Pius XII. (Marcel Iures) sieht außerdem im Kommunismus eine weit größere Bedrohung als im Faschismus. Der Einzige, der Gerstein aufrichtig unterstützt, ist der junge Jesuitenpater Riccardo Fontana (Mathieu Kassovitz), der ganz gute Kontakte in den Vatikan hat. Aber der Kampf der beiden scheint aussichtslos...

Im Film steht nicht die historische Wahrheit im Vordergrund, sondern die Darstellung der mangelnden Initiative des Papstes, gegen Judenverfolgung und "Endlösung" einzuschreiten. Deshalb wird der Einfluss des anklagenden Kurt Gerstein sehr viel stärker akzentuiert, als er in Wirklichkeit war. Riccardo Fontana steht für alle "kleinen" Geistlichen, die sich gegen Hitler und sein Regime stellten.

Jeder Film, der sich auf Historisches stützt, muss die Geschichte vereinfachen. Wie sonst könnte man mehrere Jahre in zwei Stunden packen? Doch die Simplifizierung hat oft auch einen anderen Grund: Man will sich auf die "Moral von der Geschicht'" konzentrieren. In diesem Falle wird Papst Pius XII. unterstellt, er hätte den Holocaust relativ einfach stoppen können. Das Problem dabei: Geschichte ist nicht einfach.
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