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Aaron Karl: „Ich wollte diesen Menschen porträtieren“

Aaron Karl: „Ich wollte diesen Menschen porträtieren“
© Marlene Fröhlich
Veröffentlicht:
19.01.2017
Aaron Karl in "Tatort - Schock" im Interview

Aaron Karl, Sohn von Schauspieler Fritz Karl, spielt im neuen „Austro-Tatort“ einen jungen Mann aus gutem Hause, der damit droht, seine Eltern und sich selbst umzubringen – und seine Tat über die sozialen Medien als verstörende Protestaktion inszeniert. Im tele-Talk spricht der 26-jährige Jungdarsteller über den Background der Hauptfigur, interessante und weniger interessante „Tatorte“, sein Verhältnis zum erfolgreichen Vater und seine Traumrolle.


tele: Der neue „Tatort“ thematisiert unter anderem den Leistungsdruck für die Generation 20 plus. Ist dieses Thema so brisant, wie es im Film rüberkommt?

Aaron Karl: Ein Thema, über das man diskutieren muss, ist jedenfalls „Konkurrenz“ – und der daraus resultierende Leistungsdruck. Konkurrenz ist ein System, nach dem eine Gesellschaft meiner Meinung nach nicht wirklich funktionieren kann. Konkurrenz bedeutet: Ich gewinne, wenn du verlierst, und auf Konkurrenzdenken und Ellbogentechnik kann man einfach keine Gemeinschaft aufbauen. Daraus resultiert dieser Leistungsdruck, der ein Individuum zu Handlungen treibt, die es eigentlich gar nicht eingehen sollte, das ist mein erster Gedanke dazu.

tele: David Frank, ihre Figur im „Tatort“, ist in einer sehr erfolgreichen und leistungsorientierten Familie groß geworden, die Eltern hatten konkrete Erwartungen in ihr Kind. Wie war das bei Ihnen?

Aaron Karl: So wie die Figur im Film gezeigt wird, gibt es eigentlich keine Ähnlichkeiten. Meine Eltern haben es mir überlassen, wie ich mein Leben führe. Mir wurde gesagt: Wenn dich das glücklich macht, dann mach es! Und das ist der Unterschied zum Vater von David Frank: Der hat eine Vorstellung davon, wie das Leben zu sein hat, und alles andere ist falsch. Was mit seinem Weltbild nicht übereinstimmt, muss falsch sein. Für einen Mathematiker gibt es ja auch nur richtig und falsch – es gibt kein „vielleicht“ bei Zahlen – da ist nichts dazwischen.

orf baumung 20170111135122tele: Auslöser für Davids Aktion ist der Selbstmord einer Freundin, die dem elterlichen Leistungsdruck nicht gewachsen ist. Wie gehen Sie mit dem Thema „Freitod“ um?

Aaron Karl: Ich sage immer, es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten, wenn man mit einer Situation unzufrieden ist: Entweder man lernt mit der Situation umzugehen, man ändert die Situation oder man verlässt die Situation. Genauso ist es mit dem Leben: Wenn jemand sagt: Mit der Energie, die ich habe, und mit meinem Willen kann ich das nicht ändern. Es bleibt nur die Möglichkeit, aus der Situation zu treten, dann kann man nur hoffen, dass es mehr gibt als dieses biologische Leben. Ich denke, es ist eines Menschen persönliche Entscheidung, ob er sein Leben beenden will, wenn er bei klarem Verstand ist: Das ist aber auch das Problem und das Traurige daran: Wir sind zu oft fremdgesteuert, die meisten dieser Schicksale geschehen, weil die Menschen keinen freien Willen haben.

tele: Sie haben schon vorher in zwei „Tatort“-Krimis mitgespielt. Sind Sie ein großer „Tatort“-Fan?

Aaron Karl: Nein, ich schaue nur ausgewählte „Tatorte“. Es gibt welche, die mich sehr ansprechen, so wie der Wiesbadener „Tatort“, weil die immer sehr gut und interessant geschrieben sind. Die alte Story von Mord und Aufklärung spricht mich weniger an. Da kann ich auch ein Buch wie „Der Richter und sein Henker“ lesen, da hab ich mehr davon.

tele: Waren Sie froh, dass „Schock“ einer jener „Tatorte“ ist, die nicht so simpel gestrickt sind?

Aaron Karl: Ja, ich hab mich schon über das Casting riesig gefreut, ich wollte das unbedingt machen. Ich hab sofort gedacht: Das kann ich! Es hat mich sehr inspiriert, mit Rupert Henning (Anm.; Regisseur und Drehbuchautor von „Schock“) über meine Rolle und die Themen dieses „Tatorts“ zu reden. Im Endeffekt wollte ich gar nichts spielen, ich wollte diesen Menschen porträtieren. Und ich finde es sehr schön, dass das ein Film ist, der auch eine Aussage hat. Es gibt ohnehin zu viel Programm, das keine Aussage hat.

tele: Besprechen Sie das auch mit Ihrem Vater, zu welchem Casting Sie gehen oder welche Rolle Ihnen liegen könnte?

Aaron Karl: Na ja, wir reden schon über den Beruf. Das ist ja naheliegend, oder?

tele: Die Frage ist: wie intensiv und wie häufig?

Aaron Karl: Es gibt immer wieder Dinge, die uns beide brennend interessieren. Darüber redet man natürlich mehr. Wenn eine Arbeit sehr fordernd ist, zum Beispiel. Er erzählt mir von seinen Drehs, zeigt mir Fotos. Wir reden einfach darüber und tauschen unsere Gedanken aus. Das kann mich jetzt inspirieren oder mir weiterhelfen – oder auch nicht. Aber wir sind da sehr offen und er ist sehr hilfsbereit. Ich profitiere natürlich mehr von ihm als er von mir, weil er schon länger im Geschäft ist, mehr weiß und einfach ein guter Schauspieler ist. Und ich denke auch, es ist keine Schande, seinen Vater um Rat zu fragen.

tele: Absolut nicht …

Aaron Karl: Er respektiert es, wenn ich meine eigenen Sachen machen möchte. Und bietet mir an, dass er mit mir etwas übt oder bespricht. Aber oft ist es so, dass ich sage: Nein, ich will das selber machen. Auch wenn viele Menschen ihn in mir erkennen, habe ich doch das Gefühl, dass ich einfach eine andere Herangehensweise habe – und ich glaube, ich zeige das auch jetzt in diesem „Tatort“. Ich denke, so wie ich das spiele und wie ich die Figur erarbeitet habe, das hab ich alleine gemacht. Und ich bin auch froh, dass mir das alleine gelungen ist.

tele: Gibt es für Sie diese eine Traumrolle, die Sie gerne spielen würden?

Aaron Karl: Was mich am meisten interessiert, sind Figuren mit einer tiefen Verletzung. Wo unter dem Menschen ein großer Schmerz liegt, der im Prinzip sein gesamtes Handeln bestimmt, den er aber nie zeigen kann. Sowas interessiert mich. Ich liebe auch Fantasiewesen und die Psychologie dahinter. Wie genial ist zum Beispiel ein Vampir! Er lebt endlos lange, hat alles gesehen – und wenn ihm fad ist, könnte er ja auch einfach in die Sonne gehen und sterben. Aber da ist so viel dahinter: Neugier, Angst, Omnipotenz und schreckliche Hilfslosigkeit! Er ist omnipotent und schläft doch Tag für Tag in einem Sarg! Also das finde ich sehr interessant: Die Psychologie hinter Fantasiewesen.

tele: Danke für das Gespräch!


Steckbrief Aaron Karl

  • Geb. 1990, lebt in Wien
  • Zweitältester Sohn von Schauspieler Fritz Karl
  • Stand bereits mit sechs Jahren vor der Kamera („Das ewige Lied“, 1997)
  • Spielte mit Vater Fritz in „Der Fall des Lemming“ (2009) und „Clarissas Geheimnis“ (2011)
  • Weitere Rollen u.a. in „Schnell ermittelt“, „Cop Stories“, „Soko Donau“, „Solo für Weiß“.
  • Zweites Standbein: Musik. Hat eine eigene Band (IYI), spielt neben Klavier (Ausbildung) auch Gitarre, Schlagzeug, Akkordeon und „andere Instrumente, die in der Pop-Musik üblich sind“.
  • Absolvierte zuletzt seine Schauspielausbildung in Berlin-Potsdam, schreibt gerade an seiner Bachelor-Arbeit.


Tatort – Schock
TV-Kriminalfilm. Ö 2017

Der Student David Frank (Aaron Karl), Sohn eines angesehenen Mathematikers und einer erfolgreichen Anwältin, handelt wohlüberlegt und mit logischem Kalkül, als er seine Eltern entführt und ankündigt, diese und sich selbst umzubringen. Über die sozialen Netzwerke verbreiten sich seine Botschaften wie ein Lauffeuer. Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sollen die Gewalttat, die der junge Mann als wohlüberlegte Protestaktion gegen das herrschende gesellschaftliche System aufzieht, verhindern. Doch neben David scheinen auch die Wissenschaftlerin Sarah Adler (Mercedes Echerer) und der Freund (Mehmet Sözer) von Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig) in den Fall verwickelt zu sein … In weiteren Rollen sind u. a. Ulrike Beimpold und Dominik Warta zu sehen.

ORF 2 & ARD / So., 22.1. / 20.15 Uhr

Interviews

Aaron Karl: „Ich wollte diesen Menschen porträtieren“
Interviews, 19. Januar 2017
Aaron Karl, Sohn von Schauspieler Fritz Karl, spielt im neuen „Austro-Tatort“ einen jungen Mann aus gutem Hause, der damit droht, seine Eltern und sich selbst umzubringen – und seine Tat über die sozialen Medien als verstörende Protestaktion inszeniert. Im tele-Talk spricht der 26-jährige Jungdarste… mehr >
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