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Jahrhundert-Romanze

Jahrhundert-Romanze
© The Weinstein Company
Veröffentlicht:
25.06.2012
In Madonnas jüngstem Film „W.E.“ spielt Andrea Riseborough die königliche Geliebte Wallis Simpson. Im tele-Interview spricht sie über den Dreh mit der Pop-Ikone, hoffnungslose Romantik und Frauen im Filmbusiness.

Sie ist eine Frau der klaren Worte. Auch Hollywood zeigt sich von Andrea Riseborough beeindruckt: Sie drehte bereite mit Clive Owen, James McAvoy und Tom Cruise, hat eine vielversprechende Karriere. Wir trafen die talentierte junge Frau in Berlin.

 

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Man liest alles, was je über die beiden geschrieben wurde. Man liest alles, was sie über sich selbst geschrieben haben, man liest, was sie sich gegenseitig geschrieben haben und was sie anderen Leuten über sich selbst geschrieben haben. Man liest Anekdoten, man sieht sich Filme und Fotos von ihnen an. Aber Fotos sind fast besser, um einen flüchtigen Einblick in ihre Beziehung zu erhaschen. Ein Blick kann da Bände sprechen über etwas, worüber sie nie geschrieben hätten, wenn sie jemanden nicht mögen, beispielsweise. Wenn man all das getan hat, vergisst man‘s wieder und versucht einfach zu existieren in Momenten aus dem Leben, das das ihre hätte sein können.

Ist es leichter oder schwieriger, Menschen zu spielen, die wirklich gelebt haben?

Das lässt sich schwer messen, es ist einfach etwas anderes. Ich habe auch schon Margaret Thatcher gespielt, auch bei Wallis Simpson: Es gibt einfach sehr viel Stoff zum Thema, die Leute haben eine Meinung über sie. Man kann sich entweder durch diese Verantwortung belasten oder eine eigene Beziehung dazu entwickeln und weitermachen. Wenn man fiktive Figuren spielt, sind die Möglichkeiten ja grenzenlos, das kann fast noch entmutigender sein.

Prince Edward hatte wirklich alles, Geld, Frauen, Macht: Wieso Wallis?

Ob ich Ihnen sagen kann, warum er sich in Wallis verliebt hat? Das kann ich nicht. Es ist unmöglich, einen Grund zu nennen, warum sich ein Mensch in einen anderen verliebt. Ganz ehrlich, wir können das doch noch nicht einmal für uns selbst beantworten! Wir verlieben uns oft in Menschen, die ganz schlecht für uns sind. Und ganz oft auch in Leute, die fürchterlich gut für uns sind und dann entlieben wir uns wieder, eben weil sie zu gut für uns sind. Wir Menschen sind schon sehr seltsame Wesen, immer auf der Suche. Ich wäre naiv, wenn ich versuchte, diese Frage zu beantworten.

Im Film geht es auch um Opfer, die man für eine Beziehung bringt ... War Wallis Simpson klar, was sie da erwartet?

Wallis und Edward haben sich getroffen, als sie noch mit ihrem zweiten Mann verheiratet war. Ihre erste Beziehung war wirklich sehr schlimm. Sie hat in einer Zeit gelebt, wo sie sich an einen Mann binden musste, das hat sie getan, hat ihre Pflichten erfüllt, war sehr hingebungsvoll, eine wirklich fantastische Ehefrau. Es war ganz offensichtlich, dass sie aus dieser Beziehung rausmusste. Er war fürchterlich gewalttätig, sie fürchtete um ihr Leben. Und sie war sehr mutig und ließ sich scheiden, zu einer Zeit, wo sich niemand scheiden ließ. Natürlich sagen wir heute, das ist großartige. Aber damals galt sie in der Gesellschaft als Aussätzige. Ab diesem Zeitpunkt fühlte sie sich immer als „beschädigte Ware“. Und dann wurde sie von ihrem wunderbaren Ernest gerettet. Sie waren Komplizen, beste Freunde und sie hat ihr Beziehungsleben mit 40 für beendet erklärt. Sie fand sich damit ab, eine ältere Ehefrau zu sein, deren beste Zeit vorbei war. Und dann hat sie zum völlig falschen Zeitpunkt die Liebe ihres Lebens kennengelernt. Sie hat einen flüchtigen Blick auf die Möglichkeit von echtem Glück erhaschen können mit jemandem, von dem sie dachte, dass er ihr Seelenverwandter sein könnte. So ging es ihm auch. Er hat diese Chance ergriffen, auch wenn sie davor zurückschreckte. Der Rest ist Geschichte.

Wenn sich zwei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, ineinander verlieben, müssen sie oft Opfer bringen. Kann die Liebe das aushalten?

Wieviel ich persönlich für die Liebe opfern würde? Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass ich am glücklichsten bin, wenn ich selbstlose Liebe empfinde. Wenn mir sein Glück wichtiger ist als meines. Ich hatte schon das große Glück, so zu empfinden. Gleichzeitig weiß ich, wenn ich mit so jemandem zusammen bin, wird er wollen, dass ich genauso erfüllt und glücklich mit dem bin, was ich tue. Wenn man einander selbstlos liebt, besteht die Möglichkeit, dass die Liebe alles übersteht. Ich glaube fest daran, auch wenn es hoffnungslos romantisch klingt.

Sie sind eine rationelle Romantikerin?

Nein, ich völlig hemmungslos, wenn es um die Liebe geht. Aber ich weiß, dass diese Hemmungslosigkeit Menschen zu mir geführt hat, die genauso hingebungsvoll und selbstlos sind. Wenn beide sehr einfühlsam sind, kann man sehr glücklich sein.

Wie ist Madonna als Regisseurin?

Das wird jetzt eine lange Antwort – wie bei jedem Regisseur. Das hat damit zu tun, dass ein Mensch soviel von seinen Eigenschaften darin einbringt, wie er an seine Kunst herangeht. Das ist untrennbar verbunden, die Kunst ist Teil von ihnen. Sie ist völlig hingebungsvoll, leidenschaftlich, vorbereitet, hartnäckig, liebenswürdig, witzig, klug, dynamisch, innovativ, bewundernswert. Mir fallen keine Worte mehr ein, aber ich bin mir sicher, es gibt noch welche.

Merkt man, dass „W.E.“ erst ihr zweiter Film ist?

Ich laufe nicht herum und beurteile Leute danach, wieviele Filme sie gedreht haben. Ich habe mit vielen Erstlingsregisseuren gedreht. Madonna hat eine sehr lange und sehr erfolgreiche künstlerische Laufbahn hinter sich. Ich hatte das Gefühl, dass ich irrsinnig viel von ihr lernen kann.

Sie haben gesagt, für Frauen hat sich nicht viel geändert. Wie ist Ihre eigene Erfahrung mit dem Filmbusiness? Hat sich da viel geändert?

Frauen wie Joan Crowford oder Bette Davis haben schon komplexe und außergewöhnliche Rollen angeboten bekommen und auch mit einer bewundernswerten und ungebändigten Verve gespielt. Großartiges Schauspiel von Frauen ist also mit Sicherheit nichts Neues. Ich denke aber, dass wir kaum die Möglichkeit haben, echte Menschen zu spielen. Das ist die Kehrseite davon, Schauspielerin zu sein. Das soll nicht heißen, dass es keine großartigen weiblichen Figuren gibt. Aber in der Mehrheit sind sie keine ganze Person, nicht ganz ausgeformt. Es ist eine berechtigte Frage, ich habe dazu viel zu sagen, aber es macht mich traurig, dass wir überhaupt darüber sprechen, weil es wieder einmal zeigt, wie wenig weit wir gekommen sind. Wenn wir über einen Film sprechen würden, in dem zwei männliche Protagonisten die Hauptrolle spielen, würden wir kein Gespräch über Geschlecht haben. Und das ist ein gutes Indiz dafür, wie wenig wir uns weiterentwickelt haben.

Wenn Sie sagen, es gibt nicht viele Rollen für Frauen, die "echt" sind, glauben Sie, das könnte an männlichen Regisseuren und ihren Projektionen liegen?

Das ist eine völlig andere Angelegenheit. Der Regisseur hat schließlich nicht immer das Drehbuch geschrieben, die meiste Zeit sogar nicht. Es ist also eine Frage des Drehbuchautors, eine Frage des Studios und dann auch noch eine Frage des Geldes oder von Wall-Street-Investoren. Letztlich lautet die Frage: Warum ist die Banane krumm? Aber wenn Sie so viele Drehbücher lesen wie ich, dann würden sie auch sofort erkennen, dass die männlichen Figuren immer völlig ausgestaltet sind und die weiblichen Rollen entweder nur Instrumente sind, um die Geschichte der männlichen Hauptfigur weiterzuentwickeln oder um sie dazu zu bringen, sich zu öffnen. Oder sie sind einfach nur die ewig lockende Versuchung. Und so lustig das auch zu spielen sein kann – man hat ja an so einer Rolle viel mehr zu arbeiten – wird das oft gar nicht gewünscht. Man soll einfach nur da sein und seinen Text aufsagen. Das deprimierend. Und dann geht man über den Roten Teppich und 16 Leute, die einem alle nur eine einzige Frage stellen dürfen, fragen alle: "Welchen Designer tragen Sie?". Es macht einen hart, wenn man diesen Beruf mit Herz und Seele ausübt.

Vielen Dank für das Gespräch.

„W.E.“ läuft seit 22.6. im Kino. Madonnas Verfilmung der Liebesgeschichte von Wallis Simpson und Eduard VIII, der aus Liebe zu ihr auf den britischen Thron verzichtete, ist in das Liebesdrama einer jungen Frau (Abbie Cornish) von heute eingebettet. Bei seiner Uraufführung in Venedig wurde der Film von der Kritik vernichtet, allerdings zu Unrecht. Wenn auch die heutige Story in ihrem Upper-Class-Drama langweilt, so besticht doch das seinerzeitige Drama durch gute Schauspieler und hervorragende Ausstattung. Für Fans von historischem Liebes-Drama mit hohem Schauwert.

Interviews

Jahrhundert-Romanze
Interviews, 25. Juni 2012
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