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Jellens EM-Tagebuch, Teil 1

Jellens EM-Tagebuch, Teil 1
Veröffentlicht:
21.06.2012
Crunch time in Warschau. Endlich nimmt die EURO 2012 Fahrt auf, ist das Vorgeplänkel namens „Gruppenphase“ vorbei. Jetzt geht’s ums nackte Überleben, der Elfmeterkrimi lauert an jeder Strafraumecke. Werden bei den Portugiesen Tränen fließen? Kämpfen die Tschechen bis zum Erbrechen? Gleich wissen wir mehr …

Wundertüte gegen Ballzauberer. Das erste Viertelfinale der EM 2012 steht an – und es ist eines, mit dem niemand wirklich gerechnet hat. Russen, Polen, Oranjes, alle sind sie raus. Stattdessen laufen die Bartträger um den Schutzhelmträger Petr Cech im Warschauer Nationalstadion zum Kampf um das Halbfinalticket ein. Die Bärte sprießen, bis die „Namenlosen“ aus Prag, Pilsen, usw. aus dem Turnier sind. Aber das kann noch dauern.

Wie oft waren die Tschechen eigentlich schon der Geheimfavorit einer EM oder WM? Sehr oft. Und sie hatten schon das seltene Vergnügen, den Deutschen in einem Finale (1976) ein Bein zu stellen. Um dann 20 Jahre später auf britischem Boden die Rechnung  präsentiert zu bekommen …

Aber 2012? Trotz Champions-League-Champion Cech, trotz Tomas Rosicky (der heute fraglich ist), trotz eines bestens eingespielten Mittelfeldes trauten die Experten Michal Bileks Mannen wenig bis gar nichts zu. Dann kam die 1:4-Auftaktpleite gegen Russland, und Tschechien verschwand komplett vom Viertelfinal-Radar.

Irgendwas hat unsere Nachbarn beflügelt. Obwohl Oldie Milan Baros nach wie vor seinem ersten EM-Tor 2012 hinterher hechelt, wurden Griechen wie Polen in die Knie gezwungen. Zwei Siege in der Gruppenphase – das kann sich sehen lassen. Also: Augen reiben, durchatmen, durchstarten und weiter auf Understatement machen. Das ist momentan das Erfolgsrezept der Herren Jiracek, Pilar und Co. Sie wissen nicht genau, warum sie es soweit geschafft haben, aber die Bescheidenheit wirkt offenbar beflügelnd.

Zwei Siege auf dem Konto. Da können auch die Stars aus Portugal mitreden. Trotz einstweiliger Ladehemmung bei Superstar Ronaldo, trotz teils massiver Kritik aus der Heimat kamen die Wunderwuzzis aus dem Süden doch noch in die Gänge. Ist ja auch nicht so einfach, wenn man für den großen Auftritt in der Arena noch rechtzeitig die Frisur in Form bringen muss; wenn ca. eine Milliarde Journalisten alles über den aktuellen Zustand des gestählten Bodys wissen wollen; wenn nach 22 vergeblichen Torschüssen der Torinstinkt auf der Kippe steht.

Die „Selecção“ ist jedenfalls an Entscheidungsspiele gewöhnt. Seit der EM 2004 in eigenen Lande (Finalist) wuselten die Iberokicker sehr beständig in der K.O.-Phase herum. Halbfinale bei der WM 2006 (Aus gegen Frankreich), Viertelfinale bei der EM 2008 (Aus gegen Deutschland), Achtelfinale bei der WM 2010 (Aus gegen Spanien)  und nun? Gegen Tschechien ist die EM-Bilanz ausgeglichen: 1996 kam die Tschechen im Viertelfinale mit einem 1:0-Sieg weiter, bei der EM 2008 siegten die Portugiesen im Gruppenspiel 3:1

Hat also Cristiano heute die Haare schön? Kommt er an Cechs Vollbart vorbei? Trifft Nani endlich aus drei Metern freistehend ins Tor? Dribbelt Ronaldo seinen Schatten Theodor Gebre Selassie schwindlig? Beehrt uns Hugo Almeida auf dem grünen Rasen zu Warschau?

„Der Gegner ist nicht so wichtig, wir nehmen es mit allen Mannschaften auf“, sagte Tschechiens Teamchef Bilek irgendwann vor der Partie.

Arrogant? Keineswegs.

Auch Cristiano Ronaldo ist - ganz im Gegensatz zu seinem Ruf – überhaupt nicht arrogant. Er will ja nur spielen. Wir werden sehen, wohin das heute führt ….

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