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"Ich finde reines Genre langweilig!"

"Ich finde reines Genre langweilig!"
© 56. Internationale Filmfestspiele
Veröffentlicht:
15.12.2008
Der österreichische Erfolgsregisseur Wolfgang Murnberger über die laufenden Dreharbeiten zu seinem neuen TV-Film "Live is Life", seine Genre-Vorlieben und das Älterwerden.

Kurzinhalt "Live Is Life": Der Musiker Rocco (Jan Josef Liefers) wird zur Sozialarbeit in einem Altersheim verdonnert. Er ermutigt dort eine Gruppe von Senioren (u.a. Joachim Fuchsberger, Bibiana Zeller), die mit ihren Leben bereits abgeschlossen haben, dazu, bei einem Musik-Contest als "Rocco und die Herzschrittmacher" teilzunehmen und mit dem Preisgeld auf Abenteuerreise zu gehen. Das stößt bei der konservativen Heimleitung jedoch auf größten Widerstand ...

Gab es bis jetzt besondere Vorkommnisse am Set? Inwiefern haben sich die Dreharbeiten durch das Mitwirken von vermehrt älteren Schauspielern von anderen unterschieden?

"Besondere Vorkommnisse gab es bis jetzt nicht. Man muss natürlich einplanen, dass es mit alten Leuten ein bisschen langsamer geht, es dauert länger bis sie am und vom Set sind. Der Blacky (Anm.: Joachim Fuchsberger) ist allerdings so gut drauf, dass er zwischendurch immer jede Menge zu erzählen hat, gerade auch von der Branche und da hört man ihm gerne zu. Außerdem war er damals mein Held in den Edgar-Wallace-Filmen, für mich war er der Unverwundbare schlechthin."

Sehen Sie in Film und Fernsehen eine Zukunft der Generation 50 plus?

"Ich sehe das sehr wohl, dass alte Leute wieder zunehmend Hauptdarsteller sein werden und bewegende Geschichten über diese Generation erzählt werden. In "Live is Life" ist der Hauptdarsteller jedoch eigentlich ein jüngerer Mann in den 30ern namens Rocco, gespielt von Jan Josef Liefers, der ähnlich wie in "Einer flog übers Kuckucksnest" in eine bestehende Struktur eingreift und diese aufwühlt."

Im Kinofilm "Wolke 9", der sich auch auf die Thematik des Älterwerdens bezieht, werden betagte Menschen explizit beim Liebesspiel gezeigt. Manche Kinogänger mag das schockiert haben. Wie sehen Sie das und kommt Sex im Alter auch in ihrem Film vor?

"Was Kinogänger schockiert, wird Fernsehzuseher erst recht schockieren. In meiner Geschichte ist das Thema Sexualität eher am Rande vertreten, es geht viel mehr um das Nochmal-Durchstarten im Alter, obwohl man schon am Abstellgleis steht. Denken Sie an den Dokumentarfilm "Young @ Heart". Das Thema liegt in der Luft. Im Moment ist es noch ein bisschen exotisch, aber in Zukunft wird sich das ändern. Selbst die Stones kommen jetzt in das Altersheim-Alter. Ich glaube, es wird zunehmend normaler, alte Leute auf den Bildschirmen zu sehen."

Welche Rolle übernimmt die Musik im Film? Und wofür steht sie?

"Die Hauptdarsteller haben es mit einer sehr spießigen Heimleitung zu tun, die sie sehr bevormundet. Insofern ist die Rockmusik als Symbol der Freiheit zu verstehen. Und Musik ist ein gutes Mittel für einen Befreiungsschlag."

Wie und wo sehen sie sich selbst als "Oldie"?

"Ich denke da nicht allzu viel darüber nach. Aber wenn ich 80-Jährige sehe, die wahnsinnig fit - körperlich wie geistig - sind, dann frage ich mich oft, wie hat der das gemacht? Wenn ich an das eigene Alter denke, dann hoffe ich, mich körperlich wie geistig so lange wie möglich fit halten zu können."

Haben Sie Angst vorm Altersheim?

"Ich kenne dieses Angstgefühl nicht, weil ich am Land aufgewachsen bin und da haben die Großeltern immer in den Familien gelebt. Ich habe auch noch noch nie jemanden aus der Verwandtschaft im Altersheim besucht, weil keiner in meiner Verwandtschaft dorthin hätte müssen. Das ist sicher in der Stadt ganz anders." 

Hatten Sie Bedenken, in ihrem Film die älteren Semester ins Lächerliche zu ziehen?

"Nein, gar nicht. Es hat einen ganz besonderen Charme, wenn beispielsweise die Alten in "Young At Heart" singen "Better Die Young Than Getting Old". Da bekommen diese Textzeilen eine ganz andere Dimension. Das ist eigentlich viel lustiger als das Ernstgemeinte, das kommt mir dann eher zu pathetisch vor."

"Machen Sie lieber Kino oder Fernsehen?"

"Das ist die Gretchen-Frage ... Ich mache beides regelmäßig und versuche immer, dem Gebiet gerecht zu werden, für das ich gerade arbeite. Es hat überhaupt keinen Sinn, für die 20.15-Schiene im Fernsehen etwas Schräges - wie beispielsweise Ulrich Seidl das tut - zu inszenieren. Wenn man fürs Fernsehen arbeitet, lässt man sich auf eine gewisse Dramaturgie und auf eine bestimmte Art ein, Geschichten zu erzählen. "Schwarzer Löwe" zum Beispiel hat im Fernsehen sehr gut funktioniert und jetzt kommt "Der Knochenmann" - die dritte Wolf- Haas-Verfilmung - im März ins Kino und das ist dann beispielsweise etwas, das man um 20.15 im Fernsehen nicht senden kann. Dadurch, dass ich ganz viel Fernsehen mache, weiß ich, was ich im Kino machen will: das, was man nicht um diese Zeit sehen kann."

Wann wird man beispielsweise eine der Wolf-Haas-Verfilmungen um 20.15 senden können?

"Die beiden Hauptprobleme sind ja Sexualität und Gewalt, obwohl amerikanische Filme eher die Chance haben, im Hauptabendprogramm gesendet zu werden, trotz Gewalt und Sex. Ich vermute, dadurch, dass der ORF etwas selbst produziert, ist das problematischer, weil ja der eigene Name darunter steht. Man ist bemüht, die altmodischen Seherkreise nicht zu verärgern."

Gibt es Genre-Vorlieben?

"Im Kino ist es auf jeden Fall der Genre-Mix. Ich finde reines Genre langweilig. Viel besser, auch lustiger und erstrebenswerter ist zum Beispiel die Tragikkomödie. In der Tragik findet man die wahre Komik. Pure Komödien, wo ein Gag dem nächsten folgt, langweilen mich. Ebenso Horrorfilme, die rein auf Horror getrimmt sind. Deshalb versuchen wir gerade bei den Brenner-Filmen immer den Genre-Mix: Man erzählt eine Liebesgeschichte und dann passieren unerwartet Dinge, die einem den Magen umdrehen. In Österreich ist es trotzdem noch so, dass man das meiste Publikum immer noch mit Komödien anspricht. International gibt es da beispielsweise die Coen-Brüder, die Genres auf publikumswirksame Weise vermengen."

"Warum sollen sich ganz junge Leute den Film anschauen?

"Erstens spielen ja auch jüngere Darsteller mit, zweitens wird eine schöne Liebesgeschichte erzählt und drittens ertönt jede Menge Rockmusik. Es ist also ein Film für Jung und Alt, vom Kleinkind bis zur Oma."

Der ORF-Sendetermin von "Live Is Life" ist für 2009 geplant. Es handelt sich um eine Koproduktion von ORF und SWR, hergestellt von DOR Film.

Die nächste Murnberger-Inszenierung im Fernsehen:

Brüder 3: 13. Jänner, ORF 1, 20.15

Interviews

"Ich finde reines Genre langweilig!"
Interviews, 15. Dezember 2008
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