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Interview mit Veronica Ferres zum Film "Bobby"

Interview mit Veronica Ferres zum Film "Bobby"
Veröffentlicht:
21.01.2002
Freundschaftsdienst
Frau Ferres, Sie spielen in einem Film, in dem ein schwules Paar einen mongoloiden Jungen adoptieren möchte. Ist das nicht ein bisschen viel Problematik?
Veronica Ferres: Nein, der Film basiert auf der wahren Geschichte von Bobby Brederlow. Ich bin mit Bobby seit nunmehr elf Jahren befreundet. Meine beste Freundin wohnt im selben Haus wie sein schwuler Bruder, der um das Sorgerecht von Bobby kämpfte. Über sie habe ich Bobby kennengelernt, und so hat sich eine tiefe Freundschaft zwischen uns entwickelt. Bobbys Traum war es mich entweder zu heiraten oder aber mit mir zu spielen. Den einen Traum konnte ich ihm nicht erfüllen - den anderen schon.

Hätte man nicht eine klare Entscheidung zwischen Dokumentation und fiktiver Umsetzung des Stoffs treffen müssen?
V. F.: Mit dem Film wollen wir etwas bewirken. Die Berührungsängste, die ich früher mit Behinderten hatte, wurden mir durch Bobby sehr schnell genommen. Das ist für mich ein großes Geschenk, das ich gerne weitergebe. Ich finde es sehr gut, dass Bobbys Bruder und sein Lebensgefährte in die Öffentlichkeit gegangen sind und ihre Geschichte erzählen. Hinzu kommt, dass Bobby sich die Rollen nicht aussuchen kann wie andere Schauspieler.

Das Projekt hatte offenbar eine große persönliche Bedeutung für Sie.
V. F.: Ich werde wohl nicht so schnell wieder einen Film mit einer solch persönlichen Bedeutung drehen. Und ich hoffe, dass er Ansatzpunkte liefert, um Familien Mut zu machen gegen Barrieren anzulaufen und sie zu durchbrechen - genau wie bei Bobby und seinem Bruder.

Wie muss man sich die Arbeit mit Bobby vorstellen?
V. F.: Bobby spielt wahnsinnig gerne und für mich war es eine große Herausforderung. Mit Bobby zu drehen bedeutet, sich nicht auf Absprachen, Stichwörter oder Techniken zu verlassen. Durch seine Unbefangenheit und Naivität kann er einen oft an die Wand spielen. Man kann von Bobby nicht verlangen, hochkomplizierte Dinge zu bewältigen. Technische Details habe ich ihm abgenommen, indem ich ihn gewissermaßen ins Spiel integrierte und auf Positionen oder Markierungen geführt habe. Er hat das kaum wahrgenommen und sich dafür auf den Text konzentriert.

Das klingt recht anstrengend.
V. F.: Am Anfang waren alle skeptisch. Aber die Freude, die Bobby ausstrahlt, wenn eine Szene gedreht ist und gut funktioniert, war unbeschreiblich. Er springt in die Luft und umarmt einen. Mit dieser Freude hat er das ganze Team angesteckt. So wurde auch der Umgang untereinander im Team viel freier. Er hat unglaublich viel bewirkt.

Wie sieht Bobby sein eigenes Leben?
V. F.: Er sieht nicht die Schwierigkeiten, sondern ist einfach so wie er ist und damit meistens glücklich. Das bereichert und gibt sehr viel Kraft.

Inzwischen leben die drei zusammen.
V. F.: Ja, schon lange, und das klappt sehr gut.

Sie waren während der Dreharbeiten schwanger. War das nicht belastend?
V. F.: Am ersten Drehtag war ich im dritten, am letzten im sechsten Monat schwanger. Ich habe also zu zweit gedreht, was ein unbeschreiblich schönes Gefühl war. Abends nach den Dreharbeiten spielte ich im Münchner Residenztheater. Es ist eine tolle Erfahrung, zwei Stunden auf der Bühne zu stehen und dieses Erlebnis mit einem Kind im Bauch zu teilen. Zumal keiner davon wusste - ein wunderschönes Geheimnis.

Im Film lüften Sie außerdem ein anderes Geheimnis - dass Sie wunderbar singen können.
V. F.: Das wusste ich selbst nicht! (lacht) Ich habe eine klassische Gesangsausbildung im Rahmen meiner Schauspielausbildung gemacht, und bei meinem ersten Auftritt in München auf der Bühne gesungen - als Salome in Nestroys "Talismann". Allerdings habe ich das nicht weiter verfolgt. Auch bei diesem Film wollte ich es eigentlich nicht, obwohl es im Drehbuch stand. Aber Regisseurin Vivian Naefe hat mich überredet.

Wie es scheint, zu Ihrer positiven Überraschung. Werden Sie weiter singen?
V. F.: Das Einzige, was mich wirklich interessieren würde, wäre Chansons zu singen. Äußerst beeindruckend finde ich beispielsweise Hildegard Knef oder Marlene Dietrich als Sängerinnen.

Singen Sie Ihrer inzwischen sechs Monate alten Tochter vor?
V. F.: Ja, ständig. Zum Beispiel vor dem Einschlafen. Und manchmal sitzen wir gemeinsam vor dem Klavier, und ich spiele etwas vor und singe dazu.

Woran arbeiten Sie derzeit?
V. F.: Mein Mann und ich haben gemeinsam eine Initiative zugunsten missbrauchter Kinder unter dem Namen "Powerchild" ins Leben gerufen. Diese Initiative liegt mir sehr am Herzen. Wir wollen in Schulen gehen, aufklären und somit betroffenen Kindern Beistand leisten. Sie sollen lernen darüber zu sprechen und sich notfalls auch zu wehren. Im Frühjahr haben wir einen großen Event in München geplant, wo wir einen Kalender vorstellen und Requisiten beteiligter Prominenter versteigern. Michael Schumacher, David Coulthardt, Mikka Häkkinen, Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Marius Müller-Westernhagen, Nadja Auermann und viele andere Freunde und Bekannte haben uns ihre Unterstützung bereits zugesagt.

(21.01.2002)

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